»Schlagsahne – das war nicht bloß etwas Wirkliches, etwas Süßes, etwas Milchiges, Schlagsahne – das war auf der Zunge fühlbare Friedenszeit. Schlagsahne, das war nach der Entbehrung der Kriegstage, nach Zwangswirtschaft und Hungersnot, das leibhaftige, fühlbare Zeichen wiederkehrender alter Zeiten. In Deutschland hat man ja ehedem sozusagen in Schlagsahne gewatet. Kaffee, Erdbeeren, Torten, Kirschkuchen, alles wurde mit Schlagsahne garniert. Die wiederkehrende Schlagsahne nach dem Krieg – das bedeutete Erinnerung an den alten Überfluß, Hoffnung auf den neuen Überfluß, Schlagsahne – das war der Ding gewordene weiße Frieden. Es war nicht nur der Gaumen, der danach lechzte, die Reminiszenzen erwachten, und die Seele war mit befriedigt. Die Karawanen zur Schlagsahnestation, das bedeutete in allen unbewußten Seelen: sich wieder in den Friedensstand begeben. Planlos genießen statt planvoll darben.« (Stefan Großmann, 1921)
Vom Essen zwischen den Kriegen | Leseprobe
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