Wieder ging das Telephon. Er fluchte wieder und hob den Hörer ab. Im Apparat ein »Hallo … Ausländer … Comandante Sánchez?« Eine Frau mit tiefer Stimme, sie sprach seinen Namen wie Sanches aus. »Sprechen Sie französisch?«
»Ja. Was wollen Sie? Es ist Fliegeralarm«, sagte Agustín unfreundlich. Sicher Auslandspresse. »Wegen dem Alarm rufe ich Sie an«, sagte die fremde Frau mit einer sehr kühlen und sanften Stimme. »Hier spricht die Diensthabende der Zensur der ausländischen Presse.«
»Dort gibt es keine Frau.«
»Seit heute doch, Comandante Sánchez«, sagte die Frau in ihrem langsamen und korrekten Französisch. »Ich möchte, daß Sie mir die Information geben, wie es mit dem Fliegerangriff steht, damit ich das eventuell an die Berichterstatter weitergeben kann. Daß eine Bombe abgeworfen wurde, höre ich eben.«
Während sie sprach, war jenes dumpfe Aufschlagen und das Zittern aller Fensterscheiben gekommen, das eine Bombe in mäßig großer Entfernung ankündigt.
»Hat das nicht später Zeit? Jetzt habe ich keine Lust, Informationen an die Presse zu geben.«
»Ich mache Dienst, Genosse Comandante, damit die Nachrichten über das Bombardement durchgegeben werden. Deshalb bin ich hier oben geblieben. Sie sollten mir die Zusammenarbeit nicht verweigern, das ist keine Privatsache.«
Die Frau sprach noch immer kühl, aber ihre Stimme war noch tiefer und etwas heiserer geworden. Sie war wohl wütend – eine interessante Stimme –, sicher eine Deutsche. Agustín war mißtrauisch, aber er fühlte sich in die Ecke gedrängt.
»Señorita (ich werde einer Unbekannten da unten nicht Genossin sagen). Ich werde hinunterkommen und mit Ihnen reden. Sie sind im fünften Stock, nicht? Sie werden sich mir gegenüber ausweisen.«
Agustín hängte den Hörer auf und wandte sich zu Manuel, der vergebens versucht hatte, einzelne Worte zu verstehen: »Genosse García, bleib hier beim Telephon, und wenn etwas los ist, rufe mich in der Pressezensur im fünften Stock an. Da ist ein neues ausländisches Frauenzimmer. Ich muß sie mir näher anschauen. Die Sache paßt mir nicht.«
Drei schmale Wendeltreppen, totenschwarz, die der Strahl der Taschenlampe durchsticht, ein langer Korridor, Türen, Tappen an den Wänden, bis man den Lichtkegel richtig dirigiert hat, ein leeres Zimmer, kleine Taschenlampe, schattenhafte Frau, Scheinwerferlicht in ihr Gesicht: »Sie haben eben mit mir telephoniert, Señorita?«
Diese Frau hatte sehr helle Augen – grau wahrscheinlich –, deren Pupillen sich rasch verengten. Sie hatte harte Augenbrauen und einen blassen Mund – wenigstens nicht angestrichen –, der sehr gerade verlief. Sie war gar nicht hübsch. Um so besser.
»Hier sollten Sie niemand mit Señorita anreden, Comandante«, sagte die kühle, ruhige Stimme. »Und wollen Sie nicht einen Moment lang Ihre Lampe so halten, daß ich zur Abwechslung Ihr Gesicht examinieren kann?« Ihr herber Mund vertiefte und veränderte sich zu einem fröhlichen und kameradschaftlichen Lächeln, das einem knabenhaften Grinsen sehr nahekam. Die Lippen waren voll; dieser Mund war nicht hart. Agustín blickte interessiert darauf, denn es schien ihm ein Phänomen von Licht- und Schattenwirkung zu sein.
Telefónica | Leseprobe
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