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Maskerade | Leseprobe

Das Zimmer war schon warm. Es war zehn Uhr früh und Rom im Juni. Rosika stand vor einem der vier Spiegel und legte etwas Rouge auf. Ich kehrte ihr den Rücken und rasierte mich. Das Zimmer war mittelgroß. Die Tür zum Balkon stand offen. Sonnenlicht strömte herein. Eine Stufe führte hinauf zum Balkon. Sie ließ das Zimmer ein wenig extravagant erscheinen. Mit einem Schritt gelangte man hinauf zum Balkon, mit einem zweiten auf die Straße hinunter – mit einem Sprung, wenn man wollte. Wir konnten die Autos unten auf der Straße vorbeifahren hören; wir waren zu weit oben. Dies war der Corso d’Italia, ein sehr vornehmer Stadtteil Roms. Ich verdiente genug Geld; seit mehr als zwei Jahren bezog ich ein regelmäßiges Einkommen als Autor für die Wiener Presse. Ich musste mich einfach glücklich fühlen.
Sie machte sich immer noch fein, als ich mich fertig rasiert hatte. In einer Ecke des Zimmers lagen Bücher auf dem Fußboden. Eigentlich arbeitete ich nicht hier, sondern in der Bibliothek gegenüber. Ich hatte auch die »Arbeitszelle« für mich allein und schrieb dort. In einer anderen Ecke lag Wäsche, die Frühstückstassen standen auf dem Frisiertisch.
Ich sagte: »Hoffentlich bist du bald fertig. Sonst kommen wir zu spät.«
Rosika machte auf dem Absatz kehrt und schnitt eine Grimasse. Sie sah aus wie ein wütendes Baby und brachte mich zum Lachen.
Sie sagte: »Hetz mich nicht schon wieder! Wir nehmen ein Taxi zum Vatikan.
»Gehen wir lieber zu Fuß. Ein Taxi kostet Geld.«
»Haben wir kein Geld mehr? Ist der Brief noch nicht angekommen? Und der Scheck? Ich möchte bald abreisen. Niemand bleibt im Juni in Rom.«
»Aber all die Teilnehmer dieser berühmten Vortragsreise sind noch in Rom. Zählen diese Leute nichts?«
»Hör auf, meine Freunde zu beleidigen! Du bist schrecklich.«
»Du bist schön«, sagte ich. »Küss mich.«
Natürlich war sie schön. Ich hatte sie erwählt, ich hatte wegen ihr Frau und Kind verlassen; vielleicht sogar mehr als das. Und sie? Auch ihre Scheidung war keine Kleinigkeit gewesen. Vielleicht hätte sie wirklich mehr an ihre Familie denken sollen.
Sie trug das braune Kleid mit den Punkten und den braunen Strohhut mit hochgeklappter Krempe. Beim Gehen schlug der kurze Rock gegen ihre schlanken Beine. Es war ein hübscher Anblick, dieses Flattern und Wehen im Wind.
Im Korridor trafen wir unsere Gastwirtin, Signora Cappa, die Gattin von Oberst Francesco Cappa.
Sie sagte: »Guten Morgen! Wieder viel zu tun?«
Hinter ihr stand ihr Pudel, blind und taub.
»Es ist schließlich fast halb elf«, sagte ich. »Wie geht’s dem Oberst? Funktioniert der Aufzug?« Nein, der Aufzug funktionierte nicht. Wir gingen die Marmortreppe hinunter und überquerten den belebten Corso d’Italia. Später bogen wir in die Via Vittorio Veneto, wo sogar zu dieser Stunde die jungen Leute von Rom den Bürgersteig füllten. Sie standen uns im Weg, tranken Wermut und plauderten. Rosika ging zwei Schritte vor mir, die Autos lärmten fürchterlich, weil auch sie nicht durchkamen, die Damen und Herren sprachen mit sehr schrillen Stimmen, lachten und winkten, und einige der jüngeren Männer warfen Rosika anzügliche Blicke zu – daran hatten wir uns inzwischen völlig gewöhnt. Wir lebten seit fast zwei Jahren in Italien.
Sie trug ihren Fuchspelz träge über der Schulter, den Schwanz nach hinten und den Fuchskopf auf ihrer Brust.
Ich sagte zu ihr: »Liebst du mich? Liebst du mich immer noch so wie am Anfang? Denk an die schönen Nächte in Venedig!«

(Diese Leseprobe ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder weiterverwendet werden.)

Zum Titel
  • Hans Flesch-Brunningen: Maskerade
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  • Hans Flesch-Brunningen: MaskeradeRom im Juni 1936: Der Wiener Autor und Journalist Martin Boldt genießt mit seiner Frau Rosika la dolce vita. Sie besuchen Vorträge, unternehmen mit Freunden Badeausflüge an den Strand von Ostia und trinken reichlich Wermut. Vor dem heißen römischen Sommer will das Paar in die Berge fliehen. Gemeinsam mit dem dubiosen Deutschen Gerhart Hesmert fahren sie mit dem Zug durchs Land. Der drohende Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kümmert Martin vorgeblich recht wenig, ganz im Gegensatz zum bekennenden Nazi Hesmert. …
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