Komme immer wieder hierauf zurück, renne immer wieder hiergegen an: Schreibe nicht über Gewalt abstrakt, schreibe über Gewalt konkret. Schreibe über Faust auf Schläfe, schreibe über Fuß auf Handgelenk, schreibe über Knöchel gegen Augenhöhle, schreibe über Knie auf Hals. Schreiben über Gewalt konkret braucht Denken über Gewalt abstrakt. Schreibe Faust, denke: er – schreibe Schläfe, denke: ich. Schreibe Fuß, denke: er – schreibe Handgelenk, denke: ich. Schreibe Knöchel, denke: er – schreibe Augenhöhle, denke: ich. Er und ich über Körperteile gedacht, Körperteile zuordenbar nach Zugehörigkeit, er und ich getrennt über Körperteile, getrennt über Besitzverhältnisse: seine Faust, meine Schläfe. Besitzverhältnisse, denke ich, und Anzeigen über Sprache, komme auf besitzanzeigende Fürworte, schmunzle dabei, weil Deutsch als zweite Sprache gelernt und klingt wie Worte gesprochen mit Heißkartoffel im Mund, wie Worte gesprochen mit Faust im Mund. Was kann Sprache, wenn es Fürworte ohne Widerwort gibt? Meine, seine, seine, meine, m-eine, s-eine, drehe die Worte zwischen Lippen, Zähnen, Zunge trennt im Mundraum m-ei-ne, s-ei-ne, Diphtonggetrippel zwischen m und s und ne und ne. Und da macht Sprache etwas, was sie hier nicht soll: spielt, beruhigt, lenkt ab. Dabei soll Sprache hier Ordnung, soll Sprache hier doch aufräumen, soll Sprache hier doch kalt. Also zurück: sein Fuß, mein Handgelenk. Sagt etwas über Besitzverhältnis Körperteile, sagt nichts über Besitzverhältnis Gewalt. Neu ansetzen: Denke: er, denke: ich, denke: wir in der Gewalt, denke: »unsere«, Hand möchte das schon schreiben, Stift greift das auf, aber Hand wird gesperrt und Stift kratzt nur auf, macht Riss in Papier, denkt es hinter Stirnstein Wunde, denkt es Blut, Schorf, Gewebeflüssigkeit, Narbe – Stopp.
Zurück: Unsere. »Unsere« – nein, nein, nein, dann ist es einfach, dann ist Gewalt zusammen gedacht, Gewalt als Wir gedacht, Gewalt als das gehört zu uns gedacht, aber wie ist es mit den Besitzverhältnissen dann? Sage ich Gewalt, meine ich meine Gewalt, meine ich seine, bedeutet nicht, seine Gewalt ist meine Gewalt. Meine Gewalt ist nicht so seine Gewalt: Denke ich an meine Gewalt, an seine, denke ich mich ohne Beitrag zu Gewalt in der Gewalt. Oder denke Beitrag Zittern, Beitrag Tränen, Beitrag sprachlos Bitten, ohne Beitrag kein Besitz, denke ich dann und gleichzeitig, was ist der Beitrag zu: Dieses Handgelenk, das gerade ans Brechen durch seinen Fuß gebracht wird, gehört mir? Besitz, Besitz, Besitz, und dann: das Pronomen sagt nichts über das Besitzverhältnis aus, sondern über den Besitzer. Er ist Besitzer der Faust, ich Besitzer der Schläfe. Aber wo ist dann Gewalt? Wo ist das, was ich will, wenn ich meine, seine denke, meine, seine schreibe, wo sind Lichtveränderung und Einschlag und Ohnmacht, wo sind Blut und Luftlosigkeit und Betteln und Tränen und wortloses Schreien, wo ist das alles in meine, in seine? Maybe it’s everywhere.
Also auffalten.
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Gewalt | Leseprobe
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