3.
Ich nehme den Tod also in mein Gesichtsfeld und setze mich an den Küchentisch. Küchen sind Orte des Lebens, des Austauschs von Worten, Gerüchen und Geschmäckern. Sie geben Vermengungen und Unklarheiten, aus denen Fantastisches entsteht, ihren Raum. Hier möchte ich über den Tod nachdenken. Schließlich gehört er zum Leben wie der grobe Schiffsboden, auf dem der Tisch und die Stühle stehen. Zwischen seinen Planken nimmt er großzügig Staubflusen, Tabakbrösel und Krumen auf, er bewahrt die kleinen Spuren, die von meinen täglichen Verrichtungen abfallen. Am Fensterbrett, hinter dem Tisch, stehen die Pflanzen und Kräuter, um die ich mich leidenschaftlich kümmere. Da ich aber auch leidenschaftlich gerne verreise, ist es immer wieder vorgekommen, dass das eine oder andere Gewächs dran glauben musste, dass nicht alle mit seiner Versorgung Betrauten ihrer recht zeitaufwendigen Aufgabe gewachsen waren.
An manchen Pflanzen hänge ich besonders: Den Rosmarinstock hat mein Vater vor fünfzehn Jahren in einen Tontopf gesetzt und mir mitgebracht; den Avocadobaum habe ich vor zehn Jahren aus einem Kern selbst gezogen; der Feigenbaum, der bis vor einem halben Jahr noch das Küchenfenster verdeckt hat, steht mittlerweile in einem großen Topf in meinem Arbeitszimmer. Erst wenn ich mich durchringen kann, ihn ins Freie zu setzen, wird er Früchte tragen.
Es kann fruchtbar sein, sich auszusetzen, sich einer Angst, einer Sorge, einer bedrohlichen Situation zu stellen. Ein Standpunktwechsel ist dafür unabdingbar. Viele Jahre lang habe ich mich verkrochen, ich habe den Tod inbrünstig gehasst, ihn in ein Eck gestellt in der Hoffnung, nichts mit ihm zu tun haben zu müssen. Mir ist das freilich so wenig geglückt wie allen anderen, die es versuchen. Heute denke ich nicht mehr, dass es wirklich glücklich wäre, ihn über weite Strecken meines Lebens für unberührbar zu erklären. Die Dunkelheit, die ihn umgibt, ist die des dunklen Flecks, das Schaudern der Netzhaut, wenn sie etwas streift, das außerhalb ihrer Reichweite liegen sollte.