Wenn ich die Wintersachen in den Schrank räume, kann es vorkommen, dass ich danach für einige Zeit unauffindbar bin. Das liegt daran, dass ich mich in einen der Mäntel schmuggle und mit dem Rest der warmen Sachen im Schrank verschwinde. Im engen, finsteren Raum stelle ich mir vor, wie es war, mich an den Tagen der letzten, der kalten Monate in diesen Jacken und Hosen zu befinden. Die Kappe mit den Ohrenschützern habe ich aufgehabt, dieser Schal war um meinen Hals gewickelt. Was habe ich alles erlebt, was musste ich durchstehen, wovor wurde ich bewahrt. Obwohl mir hier drin niemand antwortet, weiß ich, dass eine gemeinsame Meinung vorherrscht. Alles basiert auf Erinnerung. Was habe ich alles erzählt, was habe ich aufgeschrieben, wie oft blieb ich ungehört. Ich frage mich, ob die Kleidungsstücke im kommenden Herbst mit mir gealtert sein werden. Wird der Mantel graue Haare aufweisen? Werden an der Kappe welche fehlen?
Während der Sommermonate habe ich für diese Form von Beschützern keine Verwendung. In dieser Zeit kümmert sich das System um mein Wohlbefinden. Das geöffnete Fenster, der Luftzug, Badeanstalten, Eiswürfel, die körperliche Blöße. Anders als die Kälte, die mich jedes Mal nach Hause begleitet und vor meiner Haustür auf mich wartet, dringt die Wärme in meine Wohnung ein, ist plötzlich da und zwingt mich, Vorkehrungen zu treffen, die sich als ungenügend erweisen. Wenn der Winter sich auf Wanderschaft begibt, hoffe ich, ihn in meinem im Schrank hängenden Mantel begleiten zu können. Ich lasse die Hände in die Manteltaschen gleiten und überantworte mich seiner Führung.
Wenn ich schließlich den Schrank verlasse, geschieht das vor allem, weil mir in den dicken Sachen zu warm geworden ist. Ich habe nunmehr eine ungefähre Vorstellung davon, was mir in den kommenden Wochen bevorsteht. Auch die Dunkelheit bleibt mit der Winterbekleidung in meinem Schrank zurück.
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