Die vergangenen Monate haben uns wie so vielen eine gewisse Entschleunigung in den Verlagsalltag mitgebracht. Die erzwungene Veranstaltungspause haben wir genutzt, um uns um das zu kümmern, was uns am meisten am Herzen liegt: die Literatur. Nach vielen Arbeitsstunden unter besonderen Bedingungen dürfen wir vier großartige neue Bücher für den Herbst 2020 ankündigen. Gleichzeitig wollen wir unsere Frühjahrsbücher in den kommenden Monaten in den Fokus des Programms rücken, da diese in der Nachrichtenflut der letzten Wochen zu Unrecht ein wenig untergegangen sind. Das Gute ist: der Literatur selbst kann die Krise nichts anhaben, denn, während die Nachrichten von gestern heute nicht mehr aktuell sind, überdauern Bücher solche Zeiten und bleiben darüber hinaus lesenswert.
Zu Beginn dürfen wir euch für das Herbstprogramm wie gewohnt eine besondere Wiederauflage aus dem 20. Jahrhundert vorstellen. Entdeckerin ist Evelyne Polt-Heinzl, die immer wieder auf vergessene Autor*innen aufmerksam macht und zuletzt Bücher von Oskar Jan Tauschinski (Talmi) und Friederike Manner (Die dunklen Jahre) neu herausgegeben hat. Ihre Entdeckung für den Herbst Perlen und Schwarze Tränen von Hans Flesch-Brunningen bezeichnet die Literaturhistorikerin nicht ohne Grund als einen der drei großen, formal herausragenden Romane der österreichischen Exilliteratur. Der Autor erzählt im Buch, das übrigens erstmals 1948 erschien, in bildkräftiger Sprache von London im Krieg und der Situation der Emigranten.
Besonders schön ist es für uns, wenn wir Autor*innen als Verlag lange begleiten dürfen. Bereits drei Bücher hat unsere Stammautorin Elena Messner in der Edition Atelier veröffentlicht: die Anthologie Warum feiern. Beiträge zu 100 Jahre Frauenwahlrecht sowie ihre Romane Das lange Echo und In die Transitzone. Mit ihrem neuen Roman Nebelmaschine gelingt der gebürtigen Kärntnerin nicht nur eine präzise Aufarbeitung eines Wirtschaftskriminalfalls, sondern auch eine unwiderstehliche Hommage an die Durchsetzungskraft von politischer Kunst und investigativem Theater. Elena Messner formuliert eine optimistische Idee, was passieren könnte, wenn für Kultur kein Geld mehr da ist, weil eine Großbank sämtliche Landesmittel aufgebraucht hat …
Wie immer gibt es auch in diesem Programm Neuzugang in der Edition Atelier: Simon Sailers Erzählung Die Schrift überzeugt durch ihre außergewöhnliche Konzeption und Thematik. Der Wiener Autor schafft es, in einer fantastischen Geschichte, zeichentheoretische Philosophien mit einem Abenteuerroman zu verbinden, sodass ein zeitgenössisches Schauermärchen entsteht. Protagonist ist der Ägyptologe Leo Buri, dem eines Tages eine rätselhafte Schrift in die Hände fällt, die schlagartig alles verändert und ihn auf eine Reise durch die Welt der Sprache und Zeichen führt. Die Illustrationen von Jorghi Poll machen den Lesefluss zu einem bildreichen Abenteuer.
Seit wir 2016 mit Der Geruch der Welt zum ersten Mal ein Buch von Paul Divjak aufgelegt haben, bewundern wir den Duftexperten für seine Fähigkeit, die Beschaffenheit von Düften in Worte zu fassen. Nach einer einleitenden Kulturgeschichte des Herrenparfums gibt der ausgezeichnete Duftpoet in Der parfümierte Mann einen stilsicheren Überblick über die besten Düfte vom 19. Jahrhundert bis heute. Im Buch finden sich zahlreiche Tipps und Parfumempfehlungen, denn gut zu riechen will gelernt sein.
Beim Durchblättern der Herbstvorschau können wir es kaum erwarten, bis wir die vier frischgedruckten Bücher in den Händen halten dürfen. Wer an unserer Vorfreude teilhaben möchte, findet die Programmvorschau online. Bevor der Herbst einbricht, haben wir aber noch ein paar schöne warme Sommermonate vor uns, die wir unserem Frühjahrsprogramm widmen. Zum ersten Mal erwartet uns jetzt im Juni ein warmherziges Sommerbuch, das an Tiefgang nicht vermisst. In Schwarze Schafe erzählt die junge Grazerin Teresa Kirchengast von der Journalistin Ella, die mit ihren Schafen Bertha und Suttner zufrieden in einem Wohnwagen hinter dem Haus ihres verstorbenen Vaters lebt. In die trügerische Idylle platzen nach und nach völlige verschiedene Menschen und es entsteht eine ungewöhnliche Wohngemeinschaft …
Weitere Bücher aus unserem Frühjahrsprogramm sind Norbert Krölls Roman Wer wir wären, das von den Versäumnissen des Studenten Alberts und seiner Freundschaft zum etwas verschrobenen Künstler Klaus erzählt, sowie Das Pi der Piratin von Simone Schönett, deren schwungvolle Prosa uns vor eine lustvolle Revolution der weiblichen Sprache stellt. Die Reiseerzählung Das nächste Mal bleib ich daheim von Claudia Endrich ist eine kritische Reflexion über ein polyglottes Leben ohne erhobenen Zeigefinger. Ein Höhepunkt im Frühling ist außerdem der letzte Band von Ilse Tielschs Trilogie: Der Roman Die Früchte der Tränen handelt vom Wiederaufbau in den 1950er-Jahren. Zu guter Letzt sei noch unsere Wiederauflage aus den Frühjahrsmonaten erwähnt: Mit dem eindringlichen und realitätsnahen Roman Johanna von Fritz Rosenfeld stellt Primus-Heinz Kucher, Herausgeber und Professor für Neuere Deutsche Literatur, zum wiederholten Mal ein ausgeprägtes Fingerspitzengefühl für vergessene Literatur unter Beweis.
Mehr Infos zu den Büchern gibt’s auf der Website.