Am Ende eines herausfordernden Jahres sitzen wir vor zwölf Büchern, die definitiv zum Besten gehören, das 2022 für uns bereitgehalten hat. Zwölf Bücher, auf die wir mit Stolz blicken, hinter denen wir viele ganz persönliche Geschichten wiederfinden, die wir während der vielen Monate des Planens und Umsetzens erlebt haben – mit den Autor:innen und Herausgeber:innen, mit unseren Vertreter:innen, immer wieder mit Leser:innen, vielen Menschen in den Buchhandlungen, Veranstaltungshäusern und Redaktionen und natürlich im Verlagsteam. Es war wieder mal kein einfaches Bücherjahr, aber am Ende stehen diese zwölf Bücher und ihre Geschichten, und wir sind dankbar für viele schöne und bereichernde Momente, für die gemeinsame Arbeit und die Wertschätzung dafür von vielen Seiten.
In chronologischer Reihenfolge sind 2022 in der Edition Atelier folgende Bücher erschienen:
📚Else Feldmann (Hg. Adolf Opel): Flüchtiges Glück. Sozialreportagen aus der Zwischenkriegszeit📚
Endlich konnten wir die zweite Auflage von Else Feldmanns Sozialreportagen drucken. Die eindringlichen, berührenden Texte, die uns tief in die Wiener Proletarierbezirke der 1. Republik führen, sind ein ewiges Highlight im Verlagsprogramm. Auch wegen des Herausgebers Adolf Opel, der kurz vor Erscheinen der ersten Auflage (2018) verstarb. Die Veranstaltung anlässlich Feldmanns 80. Todestages (17. Juni 1942) wäre auch ihm eine große Freude gewesen.
📚Andreas Jungwirth: Im Atlas📚
Hörspiel und Jugendbuch waren bisher Andreas Jungwirths literarische Metiers. Die Freude, dass er dieses nun um »Erwachsenenromane« erweitert, ist in allen Bereichen der Verlagsarbeit groß. In seinem Debütroman nimmt er uns nicht nur in ein abseitiges Marokko mit, sondern auch in eine Beziehung, von der noch nicht ganz klar ist, wohin die Reise geht. Es ist ein mitreißender Reise- und Abenteuerroman, ein schwuler Beziehungsroman, in dem sich viele Leser:innen wiederfanden, und auch ein bisschen ein Kriminalroman.
📚Ursula Knoll: Lektionen in Dunkler Materie📚
Ursula Knoll ist heuer neu zu unserer Verlagsfamilie dazugestoßen. Bisher hatte sie sich vor allem im Theater einen Namen gemacht, dass sie auch Prosa kann, hat sie mit ihrem Debütroman eindrucksvoll bewiesen. Ein raffiniert konstruierter Text über weibliche Wut, der Frauen auszucken lässt und erzählt, warum sie am Limit sind (oder drüber), und dennoch immer wieder richtig lustig ist. Ganz großes Theater!
📚Simon Sailer: Der Schrank📚
Ein wenig traurig sind wir, dass Simon Sailer mit Im Schrank seine »Trilogie der Dinge« abgeschlossen hat. So geistreich, amüsant und voller hintersinniger Zeilen sind diese drei Erzählungen, die uns auf so vielen Ebenen begeistern. Dass im Herbst 2023 sein neuer Roman erscheint, fügt immerhin auch Vorfreude dazu. Auch wenn dieser ohne Illustrationen unseres creative directors Jorghi Poll erscheinen wird (der aber an dieser Stelle ein großes Lob für seine grandiosen Buchcover nicht nur des vergangenen Jahres bekommt).
📚Walter Schübler: Bibiana Amon. Eine Spurensuche📚
Das muss man sich mal trauen, haben wir uns gedacht, als uns Walter Schübler von seinem Projekt rund um Bibiana Amon erzählt hat, und waren nicht nur beeindruckt, sondern auch sofort überzeugt. Für uns ein besonderes Buch, das nicht nur eine eindrucksvolle Persönlichkeit erinnert, sondern auch einen spannenden Einblick in die akribische Arbeit eines Literaturwissenschaftlers und Herausgebers gibt. Und die vielseitige und talentierte Bibiana Amon von einer Fußnote zu ihrem ehemaligen Verlobten Anton Kuh auf das Cover eines ihr gewidmeten Buches hebt!
📚Teresa Kirchengast: Das Glück im Großen und Ganzen📚
Vor zwei Jahren hat Teresa Kirchengast mit ihrem Debütroman Schwarze Schafe unsere »Sommerbuch«-Reihe begründet. Sie wolle Bücher schreiben, die bei den Leser:innen ein gutes Gefühl hinterlassen, hat sie uns damals erzählt. Das ist ihr eindeutig auch bei ihrem zweiten Roman gelungen. Dennoch schafft sie es mit einer Leichtigkeit, auch in die Tiefe zu gehen und relevante Themen anzusprechen.
📚Mascha Dabić: Reibungsverluste📚
2022 war für uns auch das Jahr der längst fälligen Wiederauflagen (siehe oben »Else Feldmann«). Mascha Dabić hat in ihrem Debütroman die Menschen in den Mittelpunkt gestellt, die normalerweise im Hintergrund bleiben: Dolmetscher:innen. Im Erscheinungsjahr 2017 hat sie dafür Preise (bzw. Nominierungen), viel Presse und sehr viel Publikum erhalten. Die heuer erschienene Paperback-Ausgabe erinnert uns, wie aktuell und wichtig der Roman nach wie vor ist.
📚Fabian Burstein: Eroberung des Elfenbeinturms. Streitschrift für eine bessere Kultur📚
Dass er sich mit seinem neuen Buch nicht nur Freund:innen machen wird, war Fabian Burstein von Anfang an klar. Ebenso, dass er es trotzdem schreiben wird. Nicht, weil er Menschen verägern wollte (naja, vielleicht ein bisschen, aber für einen guten Zweck), sondern weil er etwas verändern möchte. Dass die österreichische Kulturbranche im Argen liegt, ist nichts Neues; dass man sie mit Freude, Begeisterung und Leidenschaft verbessern könnte, eher schon. Das zeigt uns der immer freundliche Fabian Burstein mit seinem Plädoyer für eine bessere Kultur.
📚Björn Kuhligk: Der Landvermesser📚
Björn Kuhligk hat bereits viele Bücher geschrieben und herausgegeben, allen voran Lyrikbände, dann Reisereportagen, einige Bände mit Kurzprosa und Anthologien. 2022 ist nun endlich sein erster Roman erschienen, in dem er so souverän die Geschichte und Selbstfindung seines Protagonisten erzählt, dass wir nun dringend auf mehr Romane hoffen. Vor allem wenn sich auch seine Reise-Leidenschaft darin wiederfindet. Wohin geht’s nach Kolumbien, lieber Björn?
📚Simone Schönett: Sobald ich »ich« sage, ist mir nicht mehr zu trauen📚
Eine Premiere hat auch Simone Schönett mit ihrem neuen Buch hingelegt: Erstmals hat sie einen Band mit Erzählungen herausgebracht. Dass sie’s kann, hat sie 2020 schon eindrucksvoll mit Das Pi der Piratin unter Beweis gestellt. Mit den zehn Texten ihres neuen Buches, in denen sie nicht nur sprachliches Geschick, sondern auch psychologische Begabung und immer wieder eine humorvolle Seite zeigt, stellt sie ein dickes Ausrufezeichen dahinter.
📚Alexander Kluy: Giraffen. Eine Kulturgeschichte📚
Warum ausgerechnet Giraffen?, wurden wir in den letzten Monaten häufig gefragt. Die Antwort liefert Alexander Kluy in seiner Kulturgeschichte gleich selbst. Vom langen und mühsamen Weg der Giraffe nach Europa im 19. Jahrhundert, vom regelrechten Giraffenfieber, das damals in Städten wie Paris und Wien ausbrach, bis hin zur aktuellen und akuten Bedrohung der friedliebenden Lebewesen lesen wir in dem reich bebilderten Band. Daneben wird auch die Relevanz der Giraffe in Literatur, Film und Bildender Kunst eingehend beleuchtet.
📚Diego Viga (Hg. Erich Hackl): Die Unpolitischen📚
Ohne die Herausgeber und Herausgeberinnen wäre unsere »Wiederauflagen«-Reihe in dieser Form nicht möglich. So auch der monumentale Exilroman Die Unpolitischen über das bewegende Leben einer Generation junger Menschen aus dem jüdischen Bürgertum. Erich Hackl hat sich schon lange für die Wiederentdeckung des jüdischen Arztes und Schriftstellers Paul Engel eingesetzt. In Ecuador hat dieser nach der Flucht aus Österreich unter dem Pseudonym Diego Viga zahlreiche Romane verfasst und mit seiner ebenfalls aus Wien stammenden Ehefrau eine Familie gegründet. Für die Buchpräsentation im Wiener Literaturhaus ist im Oktober eine seiner Töchter, Teresa Engel Monath, aus Ecuador angereist und hat uns an der Seite von Erich Hackl auch den Menschen Paul Engel nähergebracht. Definitv eines der vielen Highlights unseres Veranstaltungsjahres.