Jorghi Poll, einst Leiter des Theaterverlages gleichzeit, hat in der Edition Yara eine Anthologie mit zeitgenössischen Theatertexten junger AutorInnen herausgegeben
Von Ichprothesen und Ikonen zeigt einen kleinen, aber bestens gewählten Ausschnitt dessen, was junge TheaterautorInnen in Österreich derzeit zu Papier und auf die Bühne bringen. Der Herausgeber Jorghi Poll macht in seinem Vorwort der Anthologie deutlich, dass das Schreiben fürs Theater besonders und damit auch eine besonders große Herausforderung ist, weil es alle »Zeichensysteme« der Inszenierung berücksichtigen und auch die subjektive Erfahrung des Publikums antizipieren muss.
Philipp Weiss’ Seifenblasenoper. Eine Kritik der runden Vernunft etwa ist eine bei aller Rasanz perfekt choreografierte Tour de Force, die neben Dante Alighieri und Meister Yoda auch einige VertreterInnen der Stimme des Volkes zu Wort kommen lässt. Philosophische Anspielungen von Kant bis Sartre machen aus der Seifenblasenoper ein rundes Ganzes. Der Ritt durch die Kulturgeschichte täuscht nicht darüber hinweg, dass Weiss’ Text eine bunte Bestandsaufnahme unserer Zeit und ihrer Phänomene ist: kurz vorm Platzen, dafür mit einer Menge Auftrieb. Claudia Tondls Zyklop – oder eine phantasmagorische Reise zum dunklen Firmament hingegen zeigt einen Protagonisten im vermeintlich freien Fall, der seiner Depression vielstimmig Ausdruck verleiht und aus den verschiedenartigen Empfindungen, die damit einhergehen, eine mitreißende und bildreiche Dramaturgie entstehen lässt. Izy Kusche – der schon mit seinem Prosaexperiment Kassiber (2013) seine Nähe zu den Mythen der Antike unter Beweis gestellt hat – lässt die Königstochter Alkestis in einem leeren Raum auf eine Schreibmaschine los. Das Alkestis-Theorem übersetzt seine zeitlose Hauptfigur mühelos in die Gegenwart und skizziert sie inmitten der kapitalistischen und patriarchalen Strukturen ihrer Umgebung als Ausgestoßene. Ursula Scheidle schließlich zeigt in ihrem Text Letzter Halt: Plattform 80 eine weitere Grenzerfahrung: Im Allgemeinen Krankenhaus, das hier als Passagenraum zwischen Krankheit und Gesundsein eine suggestive Symbolik innehat, ist der Tod präsenter als das Leben. Scheidle macht anhand der Geschichte des Komapatienten Konrad und der ihn betreuenden Schwester deutlich, wie wenig wir den Tod begreifen.
Die vier Texte, die vier AutorInnen, stellen die Vielfalt des zeitgenössischen Theaters dar und zeigen, dass das Theater ein literarisches Medium ist. Vorhang auf für eine lebendige, oftmals erstaunliche Leseerfahrung!
Jana Volkmann ist Autorin und Co-Chefredakteurin des Magazins Buchkultur.
Jorghi Poll (Hg.)
Von Ichprothesen und Ikonen.
Theatertexte von Izy Kusche, Ursula Scheidle,
Claudia Tondl, Philipp Weiss
Anthologie
188 Seiten | 16 Euro
Das Buch kann per E-Mail beim Herausgeber bestellt werden: jorghi@gmx.at