Schwarze Schafe ist das Debüt der jungen Autorin Teresa Kirchengast, in dem sie über sonderbare, aber liebenswürdige Menschen schreibt, die mit ihren inneren Dämonen zu kämpfen haben und ein Zuhause suchen. Im Interview erzählt die geborene Steirerin, wie sie ihre Erfahrungen als Sozialarbeiterin im Roman eingearbeitet hat, und warum wir alle auf zwischenmenschliche Beziehungen angewiesen sind.
Was für ein Buch ist »Schwarze Schafe«?
Schwarze Schafe ist für mich ein Buch über Freundschaft, Eltern-Kind-Beziehungen in allen Facetten, Erwachsenwerden, generationsübergreifende kollektive Traumata, Selbstermächtigung, Liebe und vor allem über die Suche nach einem Zuhause, ein Buch übers Heimkommen.
Ich würde mich freuen, wenn Leser*innen nach der Lektüre bei Begegnungen mit Mitmenschen im Alltag ein zweites Mal hinschauen, hinter die Fassade ihres Gegenübers, bevor sie andere leichtfertig mit negativen Adjektiven versehen.
Inspiriert zu der Geschichte hat mich vermutlich mein eigenes Erwachsenwerden, das damit einhergehende schlechte Auskennen in dieser sich ständig verändernden Welt und die großen Fragen, die dabei aufkommen und von einem selbst beantwortet werden wollen. Eine Rolle spielt natürlich auch meine Arbeit als Sozialarbeiterin, bei der ich täglich mit Lebensläufen konfrontiert bin, die einen Blick hinter das scheinbar Offensichtliche verlangen, und dadurch berührende und rührende Biografien zutage fördert.
Im Roman geht es vor allem auch um unterschiedliche zwischenmenschliche Beziehungen, wobei du Konflikte nicht aussparst. Was können Leser*innen davon mitnehmen?
Dass wir alle auf zwischenmenschliche Beziehungen angewiesen sind, weil daraus eine unglaubliche Fülle an Gefühlen und Erfahrungen hervorgeht. Auch wenn es Reibungen und Reibungsverluste gibt, können Begegnungen mit anderen Menschen immer nur zu einem persönlichen Gewinn führen. Ohne ein, beziehungsweise mehrere Gegenüber in unserem Leben können wir nicht existieren – das ist meine Überzeugung. Außerdem mag ich Menschen ganz im Allgemeinen, die schwarzen Schafe unter ihnen im Besonderen, und ich habe ein großes Interesse an den Dynamiken in zwischenmenschlichen Beziehungen, auch wenn diese manchmal anstrengend sind und womöglich weh tun.
Der Titel deines Buches deutet nicht nur auf menschliche Außenseiter*innen hin, sondern auch auf die zwei Schafe Bertha und Suttner, die im Garten der Journalistin Ella leben. Die zwei sprechenden Namen erinnern natürlich an Bertha von Suttner. Was hat die österreichische Friedensnobelpreisträgerin mit deiner Geschichte zu tun?
Das kann ich tatsächlich schwer beantworten, denn die Namenswahl der Schafe war nicht bewusst im Zusammenhang mit der Geschichte, sondern eher weil mir der Name Bertha von Suttner schon vor Jahren im Kopf hängengeblieben ist. Die Vorstellung von einer Frau, die sich in einer noch extrem männerdominierten Welt einen so nachhaltigen, positiv besetzten Namen gemacht hat, fasziniert mich. So gesehen habe ich die Wahl vielleicht getroffen, weil im Buch starke, unabhängige Frauen und friedfertige Charaktere vorkommen.
Die Figuren in deinem Roman haben sehr unterschiedliche Wesenszüge. Wie sind die einzelnen Charaktere entstanden? Hast du eine persönliche Lieblingsfigur?
Die Figur von Ella, von der die ganze Geschichte ausgeht, ist bereits vor vielen Jahren das erste Mal in meinem Kopf aufgetaucht und skizzenhaft auf einem Blatt Papier festgehalten worden – schätzungsweise als ich vierzehn Jahre alt war. Die anderen Charaktere sind im Laufe des Schreibprozesses dazugekommen, quasi als Sprachrohr der Geschichte, damit ich erzählen kann, was ich erzählen will. So konkret und charakteristisch sind sie dann erst von einer Seite zur nächsten geworden.
Ich mag sie alle gern, habe sie alle ins Herz geschlossen. Aber besonders rührt mich die Figur von Eleonore, weil sie sich in dieser unerträglich verletzlichen Lebensphase des Erwachsenwerdens befindet, wo man sich selbst permanent in Frage stellt, unzählige Zweifel hegt und einem Ideal seiner Selbst nacheifert, in einer herzzerreißenden Verzweiflung. Diese Lebensphase ist sehr dynamisch und vielleicht gerade deshalb besonders spannend.
Die Erzählperspektive wechselt von Kapitel zu Kapitel. War das eine Herausforderung in deinem Schreibprozess oder fiel es dir leicht, dich in die verschiedenen Perspektiven einzufühlen?
Das Einfühlen fiel mir leicht, den Erzählstrang (und auch die verschiedenen, teilweise parallel laufenden Zeiten) so durchzuhalten, war aber eine große Herausforderung. Ganz zu Beginn gab es auch noch eine Erzählperspektive aus der Sicht von Elisabeth – so zu schreiben, wie sie denkt, war mir aber zu anstrengend und letztlich auch nicht möglich. Gerade bei Elisabeth finde ich außerdem die Außensicht auf sie noch weitaus interessanter.
Die Journalistin Ella kann sich nach einer langen Reise nicht von ihrem meerblauen Wohnwagen trennen und stellt ihn kurzerhand in den Garten ihres verstorbenen Vaters. Warst du auch schon mal mit dem Wohnwagen unterwegs? Wie empfindest du die Rückkehr in die eigenen vier Wände nach einer abenteuerlichen Reise?
Mit dem Wohnwagen herumgereist bin ich noch nie, aber ich habe als Kind viele Sommerurlaube auf einem Campingplatz in einem dort abgestellten Wohnwagen verbracht. Im Buch ging es mir natürlich um dieses Symbol eine mobilen zu Hauses, das man mitnehmen kann und das für Ella bei ihrer rastlosen Suche nach einem Daheim wichtig ist, bis sie erkennt, dass zu Hause viel eher Menschen, als Orte sind.
Ich selbst reise zwar gern, aber nicht viel – eben weil ich auch sehr gern daheim bin und das Zuhause, das ich habe, genieße. Daher empfinde ich das Heimkommen nach einer Reise, oft auch schon nach einem langen, ereignisreichen Tag, nicht nur als äußeres, sondern auch als inneres und emotionales Heimkommen. Stehenbleiben. Luft holen.