Der Sommer in Wien ist dieses Jahr nicht so unberechenbar, wie es scheint. Er folgt einfach nur etwas merkwürdigen Regeln: Unwetter und tropischer Sonnenschein im Wechsel, mal ist ein Sommerkleid die beste Wahl, mal die Regenjacke, und die Herbstpullover bitte auch nicht zu weit nach hinten in den Schrank räumen. Für Kompromiss-Temperaturen fühlt sich dieser Sommer jedenfalls nicht zuständig. Wie schön für alle, die sich zwischen Flip-Flops und Gummistiefeln nicht entscheiden wollen.
Das diesjährige Literatur- und Soundfestival Sommerloch fiel zum Glück auf einen Tag, an dem der Monat Juli sich von seiner schönsten Sonnenseite gezeigt hat. Die flamingorosa Stühle wanderten dem Schatten nach, und die Wasserstelle in der Comic-Passage entpuppte sich als zweitbester Platz im ganzen Wiener Museumsquartier. Pünktlich um kurz nach 15.00 Uhr kamen die ersten KünstlerInnen auf die erhitzte Bühne – Pom Pom Pommegranate, Teresa Vittucci und Flo Staffelmayr: Kontrabass und Kaugummitanz, Dreisatz-Open-Stage und jazzige Popmusik. Was für eine Symbiose!
Elena Messner und Birgit Michlmayr im Anschluss: ganz anders, kurz und kraftvoll. Von perkussiven Trommelsounds begleitet las Messner aus ihrem Debütroman »Das lange Echo«, in dem sie die Art, wie an den Ersten Weltkrieg erinnert wird, scharfsinnig und eindrücklich infrage stellt.
Eva Schörkhuber hat sich die Bühne mit zwei Musikern geteilt, deren Name nicht unbedingt zum Summer of Sounds passen mag – We Love Silence haben aber, ob trotzdem oder deshalb, für die beste Begleitung von Schörkhubers Erzählung »Die Blickfängerin« gesorgt. Außerdem gab es den Text in französischer Übersetzung zu hören, im Wechsel gelesen mit Flo Staffelmayr.
Natalie Deewan ließ ganz bewusst die Bühne leer – ihre literarische Sound-Performance kam vom Band. Ein anderes Zuhören, ein anderer Zugang, wenn man denjenigen, die vorlesen, nicht dabei zusehen kann. Einige lauschten mit geschlossenen Augen.
Bei Thomas Ballhausen und Thomas Malirsch dagegen wurde es auf der Bühne wieder ganz visuell. Ballhausen ließ seinen Text »Lob der Brandstifterin« von Musik untermalen, die von Schellack-Platten kam, aus dem Trichter eines Grammophons: ebenso ästhetisch wie wunderlich. Kein Wunder, dass Menschen, die einfach durchs Museumsquartier spazierten, stehenblieben, lauschten und hinsahen. Gleich danach hat Thomas Malirsch das Grammophon gegen eine Gitarre getauscht, um Claudia Tondl beim »Fensterfummeln« zu begleiten – einem literarischen Schaufensterbummel, der Schlaglichter auf das ganz normal wahnsinnige Konsumverhalten wirft. Eine abgründige Erzählung, mit hintergründiger Leichtigkeit vorgetragen.
Antonia Rahofer »arbeitet an der Schnittstelle von Text, Musik und Bildender Kunst« – ihre Lyrik-Performance mit Bernhard Geigl ließ Literatur und Musik meisterlich verschmelzen, ebenso wie Mayr & Mezzanin, die zur fortgeschrittenen Stunde die kleine Bühne füllten.
Richard Schuberth knüpft mit seinem »Neuen Wörterbuch des Teufels« an Ambrose Bierces Klassiker an. Seine satirischen Aphorismen haben genau das richtige Format zum Vorlesen und Performen – beim Sommerloch mit Unterstützung durch den Saxophonisten Andrej Prozorov.
Die letzte Performance des Abends schoss uns ohne Umweg ins All. Ulrike Schmitzers Roman »Es ist die Schwerkraft, die uns umbringt« passte einfach zu gut zu den spacigen Synthesizer-Sounds von C-Reel. Kaum war die Bühne leer, gingen die Straßenlaternen an. Wie elektrisiert.
Wir sehen uns im nächsten Jahr, danke fürs Zuhören, danke an die OrganisatorInnen und an alle auf und hinter der Bühne. Es war ein Fest!
Eine Veranstaltung von Textfeld Südost, Flo Staffelmayr, Edition Atelier in Kooperation mit dem quartier21, im Rahmen des MQ Summer of Sounds
Jana Volkmann ist Autorin und Co-Chefredakteurin des Magazins Buchkultur. Sie lebt in Wien.