Ich hatte schon so lange davon gesprochen, dass ich »mal was Längeres« schreiben will, dass nach einer Weile wahrscheinlich niemand noch weniger daran geglaubt hat als ich. Nun bin ich mittendrin – natürlich nicht, ohne vorher nochmal ausgiebig prokrastiniert zu haben. Neben dem Aufräumen von Schlafzimmer und Stube, dem Neusortieren von Buchregal und Kleiderschrank, dem Kühlschrankputzen und Kontoauszügeabheften hat sich eine Prokrastinationsmethode als besonders große Hilfe herausgestellt: das Ausprobieren von Schreibwerkzeugen.
1. Scrivener
Zwischen dem Tipp einer tollen Freundin und dem Runterladen der Testversion ist gehörig viel Zeit verstrichen. Die hätte ich besser nutzen können. Nun weiß ich es wiederum besser und habe schon viele Freunde und Bekannte auf allen Kanälen mit Werbung für meine Entdeckung belästigt. Ich habe nicht viel Erfahrung mit Schreibprogrammen; all meine Kurzgeschichten sind in OpenOffice entstanden und ich war lange sicher, mehr nicht zu brauchen.
Scrivener ist in diesem Sinne eine ziemliche Offenbarung. Es hilft mir dabei, den Text zu strukturieren, bietet unterschiedliche Templates und lässt sich an die Textsorte anpassen – so gibt es z.B. Vorlagen für Romane, Drehbücher oder Non-Fiction. Ich habe alles, was sonst in irgendeinem Ordner in n Extradateien vergessen würde, in einer Art virtuellem Leitz-Ordner stets zur Stelle. Scrivener bietet also eine Oberfläche für verschiedene Textbausteine: Figurenbeschreibungen, Handlungsorte, Recherchen, und natürlich den Hauptteil. Dieses System ist beliebig erweiterbar und bleibt erstaunlich übersichtlich; man kann die Scrivener-Dateien jederzeit in allerhand andere Formate wie Word-Dokumente, RTF oder odt übertragen. Es gibt Scrivener für Windows, Linux und MacOS. Ich bin ein großer Fan. Um den Namensgenerator zu verwenden, müsste ich allerdings erst noch deutlich verzweifelter werden.
www.literatureandlatte.com/scrivener.php
2. Die »Snowflake Method«
Okay, eine Schreibmethode. Sowas fand ich immer richtig blöd, und zugegebenermaßen macht die Website für die Snowflake-Methode auch erstmal einen ziemlich bescheidenen Eindruck. Und dann hat der Typ auch noch Writing Fiction for Dummies verfasst – geht gar nicht! Schimpf und Schande! Buh! Hätte nicht ein Bekannter mit viel mehr geschriebenen Normseiten auf seinem Autorenkonto mir diesen Tipp gegeben, ich wäre ganz sicher niemals auf der Website gelandet. Aber nun ergibt das alles doch irgendwie Sinn. Der Autor der Website hat eine Methode entwickelt, die simpel genug ist, um zu funktionieren, und die Autoren eine Art Richtlinie für Form und Aufbau eines Romans bietet. Verknappt gesagt, funktioniert Randy Ingermansons* Romanrichtlinie ein wenig wie ein Fraktal, so wie eben auch eine Schneeflocke eines ist, das sich von einer simplen zu einer immer komplexeren Form entwickelt.
Zugegeben wirkt das Ganze erstmal recht populärwissenschaftlich und artifiziell. Aber ich habe Gefallen an der Idee gefunden, mit etwas ganz Einfachem zu starten. Zum Beispiel eben mit einem Satz, der die Handlung des Romans auf den Punkt bringt. Und von dort aus kann man recht systematisch weiterarbeiten, vom Stöckchen aufs Ästlein kommen und am Ende kennt man sich entweder gar nicht mehr aus, sieht die Flocke vor lauter Flöckchen nicht, oder hat einen hervorragenden Roman geschrieben. Viel Erfolg.
www.advancedfictionwriting.com/art/snowflake.php
*Da wird der Namensgenerator aber blass.
3. Charcount
Okay, jetzt wird’s etwas trivial. Aber ich bin nicht gut im Kopfrechnen, und obwohl ♥ Scrivener ♥ die Zahl der Anschläge permanent einblendet, kann ich mir unter den Zahlen oft nichts vorstellen. Charcount rechnet einen per Copy & Paste eingegebenen Text sofort um – ganz gängig in Normseiten! Yay! Da freut sich auch der Verleger, wenn die Frage, wie lang das Manuskript ist, so zackig und präzise beantwortet werden kann.
4. Die Normseite
Wer wissen möchte, was eine Normseite ist, wird hier ausgiebig informiert. Wer das nicht wissen möchte, scrollt nach unten und profitiert von Vorlagen (in verschiedenen Dateiformaten).
www.literaturcafe.de/normseite-dokumentvorlage-download/
5. Handtuch für Autorinnen & Autoren
Das Handbuch für Autorinnen & Autoren kann man nicht genug loben. Das ist eine wirklich gute Investition und ich möchte nicht wissen, wie viel Arbeit es gekostet hat, all die Adressen, Tipps und Praxisbeispiele zusammenzustellen. Noch dazu ist es toll gestaltet. So eine Freude. Aber mal ehrlich, eigentlich wollen wir schreiben und den Buchmarkt™ bzw. den Literaturbetrieb™ dabei so gut es irgend geht ausblenden. Also ab in den Park, Laptop oder Notizheft einpacken, und los geht’s. Auf dem Handtuch für Autorinnen & Autoren liegt es sich dabei besonders schön.
www.uschtrin.de/produkte/non-books/handtuch
Jana Volkmann ist Autorin und Co-Chefredakteurin des Magazins Buchkultur. Sie lebt in Wien.