Eva Schörkhuber spricht mit Elena Messner über ihr neuestes Buch.
Liebe Eva, wir sind in deinem Roman die lesende Begleitung einer recht widersprüchlichen Figur auf Reisen. Sie trägt einen sprechenden Name – Mira. Fangen wir doch bei ihr an, Mira, deren Leben wir in der Romanhandlung über etwa 20 Jahre hinweg erzählt bekommen, ist eine Einzelgängerin, eine Träumerin, eine rebellische Figur und andererseits eine Trickserin, eine Trickbetrügerin. Welche Rolle spielte ihr sprechender Name für dich, und warum hast du als Perspektivierung in deinem Roman ausgerechnet diese einerseits rotzfreche, träumerisch-gerissene Schelmin, zugleich aber eine privilegierte, weiße, mitteleuropäische Frau, die auch Überlegenheitsdenken und naive Arroganz verkörpert, gewählt?
Liebe Elena, schön, dass Du in Deiner Frage auch den Zeitraum erwähnst, den Mira in ihrer Erzählung zurücklegt. Ich bin immer wieder damit konfrontiert worden, dass es sich um eine weibliche-kindliche Schelmin handelt, dabei ist sie, am Ende ihrer Geschichte bei Weitem eben kein Kind oder kein Mädchen mehr, sondern in etwa Mitte vierzig. Ich vermute, das kommt daher, dass weiblich markierte Schelmenfiguren eher ungewöhnlich sind: Im deutschsprachigen Kanon sind sie so gut wie gar nicht vertreten. Die beiden Bücher, die ich kenne, in denen eine weiblich markierte Stimme als Schelmin agiert, sind Irmgard Keuns Kinder aller Länder und Irena Brežnás Die undankbare Fremde. Und bei beiden sind es Mädchen, also sehr junge Frauen, die ihre Geschichte erzählen.
Beim Namen werde ich tatsächlich immer wieder überrascht, er ist vielschichtiger als ich ursprünglich dachte. Gewählt hab ich den Namen Mira vor allem wegen der slawischsprachigen Bedeutungsebenen, die von »Friede« bis hinein ins »Universum« reichen. In Gesprächen bei Lesungen hingegen wird oft der lateinische Wortstamm von »wunderbar« erwähnt. Es gibt offenbar auch eine ganz spezielle Sternenkonstellation, die »Mira, die Wundersame« genannt wird: Der Stern Omikron Ceta, ein Doppelsternsystem im Sternbild Walfisch, verändert regelmäßig seine Helligkeit und besitzt einen kometenähnlichen Schweif. Er wird als »kosmischer Sonderling« bezeichnet, der besonders »schnell gegen den Strom« schwimme. Ich habe von diesem Stern erst nach der Veröffentlichung von der Gerissenen erfahren, im Rahmen einer Lesung, bei der mich die Moderatorin gefragt hat, ob ich auf dieses Doppelsternsystem Bezug nehme, denn es passe ganz wunderbar zur Figur Mira.
Mira hat sich als Figur relativ langsam entwickelt: Sie ist ursprünglich viel melancholischer und verzagter gewesen und ist dann im Laufe des Schreibprozesses immer mehr zur »träumerisch-gerissenen Schelmin«, wie Du schreibst, geworden. Das Ambivalente, das auch dem Wort »gerissen« eingeschrieben ist, ist für mich konstitutiv für einen Schelmenroman: Vor allem auch der Gegensatz zwischen der Kapazität, bestimmte soziale Verhältnisse scharf und präzise ins Auge zu fassen, und dem Unvermögen (oder vielleicht auch der Unlust oder die Abneigung), auf die eigene Position in der Welt zu reflektieren, sich also selbst als soziale Akteurin, die bestimmte Voraussetzungen mitbringt, zu begreifen und zu hinterfragen. Insofern stellt sie diese »naive Arroganz« auch aus, sie exponiert sie als eine ihr selbstverständliche Betrachtungsweise der Welt, die durchaus als eurozentrisch aufgefasst werden kann.
Ja, die Widersprüche zwischen einer eurozentristischen und einer gobalen Perspektive auf soziale Wirklichkeiten sind Mira eingeschrieben. Der Drang, über geografische Vorbestimmtheiten, auch über den eigenen Geburtsort hinwegzukommen, scheint ein Motor der Figur zu sein: ums Ankommen, oder vielmehr – ums Nicht-Ankommen geht es in dem Roman ständig. Mira ist eine Rastlose, eine Getriebene, die ihr Glück immer wieder woanders sucht: Marseille – Oran – Havanna? Was ist es, was diese Städte verbindet, und die Rastlosigkeit der Figur prägt, die in ihnen immer nur vorübergehend verweilt?
Die Städte, in denen Mira, wie sie immer wieder betont, das Weite suchen möchte, sind alle auf je unterschiedliche und eigenartige Weise Städte am Rand: Marseille als zweitgrößte, aber ärmste Stadt Frankreichs, eine Hafenstadt, in der viele Menschen ankommen, die in Europa leben und arbeiten möchten. Oran wiederum als eine Stadt ›jenseits‹ des Mittelmeers, von der aus sich Menschen auf den Weg nach Europa machen, nachdem sie oftmals schon tausende Kilometer zurückgelegt haben, um ans Mittelmeer zu gelangen. Oran war außerdem früher, also vor dem Bürger*innenkrieg in Algerien eine der liberalsten Städte Algeriens: Sie wurde auch als »La Joyeuse«, als »die Fröhliche« bezeichnet, was sich im Laufe des Krieges und der katastrophalen sozialen und ökonomischen Folgewirkungen stark verändert hat. Und Havanna wiederum ist ein Sehnsuchtsort, an dem Träume von geglückten Revolutionen und der längerfristigen Durchsetzung sozialistischer Lebens- und Wirtschaftsformen kondensieren, wobei viele dieser Träume entweder nie eingelöst wurden oder nicht mehr eingelöst werden können. Havanna liegt einerseits am Rande eines politischen Spektrums, andererseits sind die sozialen Wirklichkeiten auf Kuba derart komplex, dass sie sich nicht in ein Schwarz-Weiß-Schema einordnen lassen, um Früchte der Revolution entweder zu glorifizieren oder zu verteufeln.
Noch einmal zum Thema der Reisen und der Reisefreiheit. Die politische Frage der Bewegungsfreiheit wird durch Nebenstränge und Nebenfiguren im Roman permanent mitverhandelt: Mira stößt oft auf Menschen, die nicht so viel Bewegungsfreiheit wie sie haben, z.B. Sans-Papiers in Marseille, oder mehrere Frauenfiguren in Oran, die vom Ausland in Form von Heirat mit ausländischen Männern träumen, aber in enge patriarchale Strukturen verwickelt bleiben. Insgesamt trifft Mira häufig Menschen, die genau wie sie selbst, aber aus politischen Gründen zu Rastlosigkeit verurteilt scheinen, Flüchtlinge, Wanderer, Nomaden, Vagabundinnen, Reisende, Vertriebene …
Es sind genau diese Begegnungen, in denen Mira eine Weite findet, mit der sie nicht gerechnet hat und die sie sich zuvor nicht vorstellen konnte: Sie beginnt allmählich zu begreifen, dass sie unter ganz anderen Voraussetzungen die Weite dieser Welt ausloten kann, als sehr, sehr viele andere Menschen. Als in Oran Amaru Zuflucht in ihrem Laden sucht, geht sie davon aus, dass er auf dieselbe Art und Weise ausgeraubt werden sollte, wie sie selbst. Sie versteht zunächst nicht, dass Amaru, der von Mali aus nach Algerien gekommen ist, um weiter nach Europa zu reisen, mit ganz anderen Schwierigkeiten konfrontiert ist als sie selbst. Er wird nicht ›nur‹ verfolgt, um ihm sein Geld abzunehmen, er wird als Person of Colour, als Schutzsuchender verfolgt. Die Bedeutung des scheinbar offensichtlichen Unterschieds, nämlich der Hautfarbe, muss Mira erst begreifen lernen. Ihr erster Impuls ist es, einfach zu übersehen, dass er schwarz ist und so zu tun, als spiele das überhaupt keine Rolle. Was es aber eben schon tut, auf eine sehr schmerzhafte Weise. Ähnlich ist es in Marseille, wo sie sich mit Erlöserinnen-Fantasien durch ein Einwanderungsviertel trägt, im Drogenrausch zwar, aber mit einem typisch europäischen Gestus, der darin besteht, dass sie über die Köpfe der Menschen hinweg beschließt, was gut für sie sei, was ihnen zustehen solle und was nicht – unter Ausblendung jeglicher kolonialen Geschichte.
Andererseits dienen die zahlreichen Stadtreisen und -aufenthalte von Mira auch der Inszenierung und Reflexion über Gentrifizierungsprozesse: Fassadensanierungen und einstürzende Häuser aufgrund von Vernachlässigungen, der Ausverkauf der Städte, Armut. Ich würde die Verhandlung von Stadtpolitik in deinem Roman auch als ironisches Augenzwinkern der Gattung des bürgerlich-konservativen, insbesondere des modernistischen Reise- und Stadtromans gegenüber lesen …?
Oh, das freut mich, dass sich die Stadtreisen auch als »ironisches Augenzwinkern« lesen lassen: Ja, das hat beim Schreiben und Konzipieren tatsächlich eine Rolle gespielt. Es handelt sich eben nicht um Städte, die eine repräsentative Kulisse für eine vorwiegend bürgerliches Figurenspiel abgeben. Es fasziniert mich schon seit Langem, dass man, wenn man zum Beispiel die kanonisierten Romane der Wiener Moderne liest, die in der Vorkriegszeit und teilweise noch in der Zwischenkriegszeit spielen, den Eindruck erhält, Wien sei damals ausschließlich eine unglaublich reiche und majestätische Stadt gewesen. Das war überhaupt nicht der Fall. Es gab sehr, sehr viele Menschen, die obdachlos waren, die buchstäblich im Untergrund, nämlich im Wiener Kanalsystem, wohnten, und selbst in den Innenstadtbezirken war die Armut und das Elend von Arbeiter*innen offensichtlich. Schließlich haben diese ja auch die prachtvollen Straßen und Häuser gebaut beziehungsweise in Stand gehalten. Die Stadt, die ein Organismus ist, in den sich soziale Verhältnisse und Politiken der Armutsverwaltung, der Vertreibung, des Ausschlusses, der Kontrolle und Disziplinierung einschreiben, gerinnt zu einer statischen Kulisse, die alles ausblendet, was über den sehr beschränkten Erfahrungszusammenhang des bürgerlichen Figurenrepertoires hinausreicht. Und das ist natürlich alles andere als repräsentativ und entspricht einer Stadt, egal welcher, auch nicht. Zu beschreiben, wie die Fassaden buchstäblich und auch metaphorisch zu bröckeln beginnen, erlaubt, denke ich, einen anderen Zugang, bei dem eine Stadt als Ort sozialer Auseinandersetzungen, als Drehscheibe für ganz unterschiedliche Bewegungen und Begegnungen sowie als Subjekt und gleichzeitig Objekt von Verwaltungspolitiken verhandelt werden kann. Es wäre durchaus auch möglich gewesen, die Städte Marseille und Havanna als schöne, mediterrane beziehungsweise tropische Kulisse zu inszenieren, Mira statt in dem Hausprojekt in einem kleinen, schnuckeligen Hotel am Alten Hafen unterzubringen und sie ausschließlich durch Habana Vieja, durch die berühmte und halbwegs in Stand gehaltene Altstadt Havannas spazieren zu lassen – nur hätte das weder ihr, noch ihrer Suche nach einer Weite entsprochen, und den beiden Städten schon gar nicht. Bei Oran verhält es sich anderes, da gibt es keine romantische Perspektive, die sich in Hochglanz-Tourismus-Prospekten wiederfinden lässt, dort fährt niemand auf Urlaub hin. Um einen unbefangeneren maghrebinischen Flair zu erzeugen, hätte Mira in eine andere Stadt, im Grunde in ein anderes Land reisen müssen, etwa nach Tunis oder nach Marrakesch – nur wäre das eben nicht ihre Geschichte geworden, zumindest nicht jene, die sie erzählen wollte.
Wenn man online nach Synonymen für »gerissen« sucht, kommen allerlei Dimensionen dieses Wortes zum Vorschein: witzig, pfiffig, böse, hinterhältig, sich bereichernd, manipulativ, diplomatisch, schlau, raffiniert, listig, spitzbübisch, durchtrieben, abgefeimt, schlitzohrig, geschäftstüchtig, ausgekocht, durchtrieben, ausgebufft, aufgeweckt, lernfähig, gescheit, kunstfertig, abgebrüht, fingerfertig, gewitzt, fintenreich, ausgefuchst – und hier nenne ich nur einen Bruchteil der angebotenen alternativen Begriffe für »gerissenes« Verhalten. Deine Hauptfigur trägt all diese Facetten in sich, aber: eine gänzlich andere Lesart dieses Wortes ist ja für ihre Biografie weitaus zentraler als all die genannten – nämlich die wortwörtliche, im Sinne des Zerrissenen, Aufgerissenen! »Der Stoff aus dem Revolutionen sind«, dieses Zitat schmückt auch provokant die Umschlagseite deines Buches. Kopftücher, Miniröcke, Stofftaschen, Stofffetzen, Zeltplanen, Matratzen, Fahnen – solche textilen Objekte, solches Gewebe spielt im Buch eine große Rolle. Mira wird als Stoff-Sammlerin fast reich, dafür braucht es viel inszenierender Ironie, fast Satire: die gerissene, weggeworfene Garderobe wird als »periphere Mode« zum Trend in Marseille, stoffliche ambivalente Revolutionsaccessoires machen Mira in Kuba reich und berühmt. Kleider machen Leute, heißt es so schön – machen sie auch Revolutionen?
Ja, ich denke, Kleider machen auch Revolutionen – insofern, als es gelingt, zu begreifen und zu artikulieren, dass der Kaiser nackt ist, und sich nicht mehr von Herrschaftsinsignien blenden und einschüchtern zu lassen. Diese Parabel von des Kaisers neuen Kleidern, die ich wirklich wunderbar finde, ist natürlich nicht so einfach auf soziale Veränderungen umzulegen, aber im Kern geht es genau darum: Zu erkennen, dass es sich bei vorherrschenden sozialen Verhältnissen und Gepflogenheiten um Konventionen handelt, die von einer meist kleinen Gruppe, die mit sehr viel ökonomischen und symbolischem Durchsetzungsvermögen ausgestattet ist, etabliert wurde – und eben nicht um ein Naturgesetz oder um etwas ›Überhistorisches‹, das sich jeglicher menschlicher und somit sozialer Einflussnahme entzieht. Dieser Erkenntnis folgt die Artikulation, die Organisierung und schließlich der Kampf. Das gilt, denke ich, für alle revolutionären und rebellischen Bewegungen, für anti-koloniale, feministische, anti-rassistische und anti-faschistische Kämpfe, die auf der Erkenntnis, dass nicht alles so sein muss, wie es ist, dass die bestehende Ordnung auch verändert werden kann, beruhen.
Bei den Revolutionen, die Mira im Zuge ihrer Reisen kennenlernt (und bei vielen anderen auch) allerdings ist es so, dass revolutionäre Eliten zu neuen ›Kaisern‹ – geworden sind, die ihrerseits darauf bestehen, dass die ›neuen Kleider‹ ohne Widerspruch, sang- und klanglos anerkannt werden. Die Repressionen ›revolutionärer Regime‹ – denn zu solchen werden sie dann – können enorm brutal und gewaltvoll sein.
Die Stoff-Aktionen von Mira verstehe ich als Ironisierung dieses Motivs – und gleichzeitig auch als Verdeutlichung: Wenn sie etwa die alten, weggeworfenen Kleidungsstücke den Menschen, die sie ursprünglich entsorgt haben, zum selben Preis wieder verkauft, zeigt sich die kapitalistische Wertschöpfung von ihrer ›nackten‹, aber vom Prinzip her auch ›wahren‹ Seite. Ebenso verhält es sich mit dem Revolutionskitsch in Havanna, der plötzlich, wiederum mit einer für Mira erfreulichen Gewinnspanne, zu ›echten‹ Zeichen eines ›echten‹ Aufstandes gegen das alte Revolutionsregime wird.
Mira ruft als Schelmin zwar nicht direkt aus, dass der ›Kaiser‹ nackt sei, aber sie führt es vor Augen, ohne dass dabei auf ihre eigenen Interessen, auf ihren Anteil an individuellen Glück und Profit verzichten würde: Im Gegenteil, ihr ›passieren‹ diese Offenlegungen zunächst, sie agiert im Rahmen der bestehenden Ordnung, schießt aber sozusagen immer wieder über das Ziel hinaus. Und in dieser Übertreibung liegt die Ironie, mit der sich die Nacktheit des Kaisers abzuzeichnen beginnt.
Ja, du sagst es, die Figur ist, wie jede gute Schelmin, vordergründig auf der Suche nach Erfolg, und zwar auch wirtschaftlichem. Wie schreibt man eine Figur, die ständig manipuliert, um sich zu bereichern? Und wieso schien es dir notwendig, oder besser: überhaupt möglich, diese gewinngetriebene Figur, für die Akkumulation von Kapital ein treibender Motor ist, ausgerechnet zu einer Revolutionärin, oder einer Quasi-Revolutionärin, oder vielleicht auch einer Anti-Revolutionärin zu entwickelnd?
In der Figur Mira verdichtet sich der Widerspruch zwischen einer guten ›Absicht‹ und individuellem Profitstreben: In jeder ›guten‹ Handlung steckt auf die eine oder andere Art und Weise auch Eigeninteresse – etwa im Hinblick auf Anerkennung, auf zu generierendes soziales und/ oder kulturelles Kapital. Auch das ökologisch sinnvolle Upcycling alter Kleidungsstücke ist nicht uneigennützig, im Gegenteil: Es erweist sich als durchaus lukrativ auf mehreren Ebenen.
Mira ist eine sehr zeitgenössische Figur, die vorwiegend vereinzelt agiert: Sie imaginiert sich immer wieder als einsame Heldin, die einem Demonstrationszug voranschreitet. Die kleinteilige und mühsame Organisierung mehrerer Menschen erscheint ihr zu aufwending, zu wenig heroisch. Ihre Vorstellungen von Revolution, von sozialen Bewegungen sind vage, teilweise an Klischees geschult, die erst in der Konfrontation mit der Wirklichkeit zu bröckeln beginnen – so wie die Fassaden der Häuser. Ihr geht es nicht darum, als Unternehmerin soviel ökonomisches Kapital wir möglich zu akkumulieren – sie ist keine ›klassische‹ Kapitalistin, sie nimmt vielmehr zugunsten ihres individuellen Glücks, als dessen Schmiedin sie auch auftritt, das Unglück und das Elend anderer in Kauf. Insofern verkörpert sie eine zeitgenössische neoliberale Haltung, die angesichts ihrer Erfahrungen und Begegnungen ins Schwanken gerät und auch in dem Grundsatz, dass es stets um die möglichst profitable und effiziente Verwertung von Eigeninteressen gehe, immer fragwürdiger erscheint. Die Frage nach Verwertung bzw. nach Verwertbarkeit spielt in unserer Zeit eine große und auch sehr problematische Rolle: Es gibt ausgezeichnete Bücher über die Verwertung selbst jener Bereiche, die wir als unsere intimsten bezeichnen würden, Liebesbeziehungen etwa. Das führt zu narzisstischen Störungen, die sich wiederum in einer Schelmenfigur ausgezeichnet reflektieren lassen. So wie Stadtteile als auf- oder abgewertet betrachtet werden, was sich auch in harten Fakten wie etwa in den Mietpreisen niederschlägt, findet in vielen Bereichen – in der digitalen wie in der analogen Welt – eine permanente Bewertung des Individuums statt: Es gewinnt oder verliert an Wert, je nachdem, welchen Parametern es wie zu entsprechen versteht. Eine der größten Fallen dabei ist, dass ein Nicht-Entsprechen stets als indivuelles Scheitern, ich würde wirklich sagen, verkauft wird, als ein Versagen bei der permanent geforderten Selbst-Optimierung.
Und auch in diesem Zusammenhang übertreibt Mira, und ihre Haltung als Akteurin in neoliberalen Zusammenhängen wird bis zur Kenntlichkeit entstellt.
Du variierst verschiedene Gattungen in deinem Roman, was auf der Handlungseben auch das Gefühl der Rastlosigkeit verstärkt – du entführst uns und deine Figur in mehrere romaneske Universen – in einen Entwicklungsroman, Schelminnenroman, Reise- und Stadtroman – und in einen politischen, aktivistischen, auch satirischen Roman? Wie war das beim Arbeiten – wie viel bewusste Ironisierung von Gattungskonventionen haben dich geleitet?
Das literarische Genre, das ich zunächst im Auge hatte, war der Schelmenroman – als eine Art Anti-Entwicklungsroman und als Satire auf bestehende gesellschaftliche Verhältnisse. Anti-Entwicklungsroman deshalb, da es eben nicht darum geht, nach einer Zeit der Wanderung und der Suche schlussendlich doch einen anerkannten Platz in einer bestehenden Ordnung zu finden und einzunehmen. Die Ironisierung der Gattungskonvention beim Schelmenroman ergab sich, denke ich, auch durch die weibliche Markierung der Protagonistin: Als Frau ist sie mit anderen Zuschreibungen und Erfahrungen konfrontiert als eine männlich markierte Figur – wobei sich da in der Rezeption schon abzuzeichnen beginnt, dass Mira einerseits als ›klassisch‹ weiblich-kindliche Schelmin beschrieben wird, und dass andererseits ihr distanziertes Verhalten, ihr Egoismus und ihre Gerissenheit irritiert. Mir gefällt, dass Mira an die Grenzen sowohl ›klassischer‹ Schelmenfiguren als auch ›klassischer‹ Heldinnen stößt: Sie vagabundiert offenbar auch entlang geschlechtlicher Zuschreibungen. Die Elemente von Stadt- und der Reiseromanen sind später eingeflossen, eben auch im Hinblick darauf, die Städte nicht zu statischen Kulissen gerinnen zu lassen.
Kuba als Stadt der Revolution, die nur noch eine Prozession der gesenkten Köpfe ist. Marseille als Stadt des aussichtslos wirkenden politischen Kampfs für Sans-Papiers. Eine Zeltstadt in der Wüste in der die Befreiungsbewegung zum Warten, zu einer Zeit der Leere und des Stillstands verkommen ist und die Revolution wörtlich nur noch im Museum zu finden ist. Oran als vernachlässigte Stadt, als Ort eines lange vergangenen algerischen Unabhängigkeitskriegs – der die Menschen, insbes. Frauen, auf die Mira stößt, kaum interessiert, zugleich aber alle Zeitungen füllt … Rebellion und Revolte variierst du als Motiv im Roman ja ständig. Aber immer werden diese realen oder auch fiktiven Revolutionen als illusorisch, als enttäuschend, als im Scheitern begriffen, als gekapert durch Profiteure oder »Revolutionskader« geschildert. Hat das nur mit der Figur Miras zu tun, die als »Revolutionstourstin«, als »Revolutionsromantikerin«, wie ein Rezensent schrieb, konzipiert ist, oder trieb dich noch etwas anderes an, dieses Scheitern in dieser irritierend schelmischen Form zu erzählen? Anders und provokant gefragt: ist dies die letzte mögliche Form geworden, über revolutionäre Träume zu schreiben? Oder ist es die Perspektive, die sich aus der westlichen, eurozentristischen Perspektive der Figur ableitet, die sich den Luxus von Komik und Satire in Bezug auf fremde Revolutionen leisten kann, weil der materielle Wohlstands Europas die Dringlichkeit solcher Kämpfe eben nur aus ironischer Distanz, auch als Revolutionskitsch, von dem explizit die Rede ist, betrachten kann?
Ja genau, das sollte mit diesem »Stoff, aus dem Revolutionen sind«, verhandelt werden: Ein distanzierter, mitunter auch verklärter Blick auf revolutionäre Bewegungen, welcher der Wirklichkeit weder im Guten noch im Schlechten standhält. Übersehen wird die Vielfalt, mit der die meisten revolutionären Bewegungen begonnen haben, und die im Verlauf reduziert und gekapert wurde von jenen Gruppierungen, die sich auch mit Waffengewalt und engmaschigen Kader- und Machtstrukturen durchgesetzt haben. Das war bei der Russischen Revolution ebenso wie bei der Kubanischen oder beim Algerischen Unabhängigkeitskampf: Die in all diesen Fällen sehr breite Bewegung mit unterschiedlichen Ausrichtungen und ideologischen Grundlagen wurde verengt – übrig geblieben sind Kadersysteme und Helden-Kulte, die der revolutionären Bewegung nicht entsprechen. Die Überlieferung, die narrativen Schemata, die auf soziale Bewegungen angewandt werden, fördern die Etablierung einzelner ›großer Namen‹, die zu Trägern (Trägerinnen werden kaum konstituiert in dieser Art der Geschichtsschreibung) der Revolutionsgeschichte werden. In diesem Sinne ist es, denke ich, eben kein Zufall, dass Bewegungen, die keine ›Führer-Figuren‹ aufzuweisen haben, etwa die Pariser Commune oder auch die Zapatistas, als Randerscheinungen behandelt werden.
Und ja, Mira verkörpert diese Auffassung, obwohl in ihrer Familiengeschichte auch eine andere Erfahrung, allerdings eine der Niederlage verankert ist: Ihre Großeltern haben den Prager Frühling mitgetragen und auch miterlebt, wie dieser von einer Machtstruktur niedergeschlagen wurde, die sich als legitime Erbin einer ›erfolgreichen‹ Revolution versteht.
In Havanna erlebt Mira die Anfänge einer neuen sozialen Bewegung, ihre Kleinteiligkeit ebenso wie ihre Breite: Das irritiert sie, da sie das nicht mit ihren Vorstellungen von Revolution abgleichen kann. Die Autorin und Aktivistin Bini Adamczak hat in ihrem Buch Beziehungsweise Revolution entlang der drei großen Begriffe Gleichheit, Freiheit und – nein, eben nicht Brüderlichkeit, sondern Solidarität – die Geschichte von verschiedenen Revolutionen, von der Russischen über die 68er bis heute aufgerollt und in ihren Konstitutionen befragt. Ihre Vision von zeitgenössischen revolutionären Bewegungen ist eine, die nicht mit abstrakten Auffassungen von Gleichheit und/ oder Freiheit operiert, sondern eine ständige soziale und solidarische Ausverhandlung dessen, was als Freiheit und als Gleichheit sowohl in Frage kommt als auch in eine unmittelbare Praxis umgesetzt wird. Ich denke, dass diese Art und Weise, über revolutionäre Praxis zu schreiben, eine utopische im besten Sinne ist: Also keine abstrakte Utopie, die am ideologischen Reißbrett entworfen wird und für die dann immer mehr Menschen als ›untauglich‹ oder ›unbrauchbar‹ erklärt werden (wo das hinführt, wissen wir …), sondern eine Utopie in actu, ein Ort, der in der Praxis, im Handeln entsteht und nicht im Vornherein mit Grenzen aus ideologischem Stacheldraht versehen ist.
Mira erlebt ja sowohl in Oran als auch in Havanna, dass die ›alten erfolgreichen‹ Revolutionen mit dem gegenwärtigen Leben überhaupt nichts mehr zu tun haben, sondern dieses nur einschränken und auf mehreren Ebenen prekarisieren. Ein erstes leises Anklingen dieser Utopie in actu sieht und erfährt Mira bei der Bewegung der Sternenvögel, wobei noch niemand sagen kann, wie es damit weitergehen wird.
Eine Frage zur Mehrsprachigkeit: Französische, Englische und Spanische Textpartikel sind über den Text gestreut. Die Entscheidung, diese Mehrsprachigkeit einzubauen, ist aus der Handlung heraus legitimiert und konsequent durchgezogen – und doch fällt auf, dass die Perspektive auf diese Mehrsprachigkeit erneut eine eurozentristische ist. Denn eine zentrale Sprache kommt neben den »westlichen« Sprachen nicht im Original zitiert im Text vor – die Arabische. Auch hier wird nochmal deutlich, dass die Erzählperspektive eine westeuropäische ist. Ähnliches wird auf der Figurenebene variiert: da gibt es immer wieder Menschen, nicht nur die Hauptfigur, die ihre eigene Privilegiertheit mit einer gewissen ironischen Distanz und Arroganz ignorieren können, und andere, die aus ihrer Marginalisierung und ihrer De-Klassiertheit nicht ausbrechen können …?
Mira spricht tatsächlich ein einziges Mal ein arabisches Wort aus: Als sie aus einem der Jeeps der Tourismus-Karawane steigen möchte, um durch die Wüstenstadt zu streunen, und dem Fahrer ein »awqaf«, ein »stop« ins Ohr brüllt. Ansonsten ist es genau so, wie Du schreibst: Sie hat es schlicht nicht nötig, Arabisch und/oder algerische Varianten des Arabischen zu lernen. In Marseille hat sie über die Jahre hinweg halbwegs passabel Französisch gelernt und ist dann mit ihrem Französisch, das sie ursprünglich bei ihrer Lektüre von Albert Camus gelernt hat, dessen Romane ja auch nicht gerade berühmt sind für ihr ausdifferenziertes arabischsprachiges Figurenrepertoire, nach Algerien gefahren. Auch mit Amaru, der von Mali aus in den Norden reist, kann sie Französisch sprechen – aufgrund der kolonialen Geschichte und der kolonialen Verhältnisse, die auf verschiedenen Ebenen weiterbestehen. Auch auf Kuba ist es eine der ›großen‹ europäischen Sprachen, die über Jahrhunderte hinweg auf einem großen Teil der Welt durchgesetzt wurde. Ich finde, es ist wichtig, auch auf dieser sprachlichen Ebene zu zeigen, wie es sich mit globalen Zentren und globalen Peripherien verhält, wer es sich allein kraft der Herkunft leisten kann, ›ignorant‹ zu sein und die ›kleinen‹, marginalisierten Sprachen nicht lernen muss – wobei ich nicht das Hocharabische als ›kleine‹, marginalisierte Sprache bezeichnen möchte, sondern eben das algerische Arabisch, mit dem Mira auszugsweise in den satirischen Artikeln aus der Oraner Tageszeitung konfrontiert wird, die sich dezidiert auch gegen die mitunter sehr repressiven religiösen Tendenzen richten, die ihrerseits eine ›Arabisierung‹ verbunden mit bestimmten Werteschemata durchsetzen wollen.
Kannst du uns etwas über jene Texte verraten, die für dein Schreiben am Roman die prägendsten waren?
Am Beginn der Arbeit an der Gerissenen habe ich mich in einige Schelmenromane wieder vertieft, etwa in die Allzu laute Einsamkeit von Bohumil Hrabal, oder in die schon erwähnten Romane von Irena Brežná und Irmgard Keun: Bei diesen Lektüren war ich vor allem auf der Suche nach einer Erzählerinnen-Stimme, nach einem bestimmten Tonfall. Ein wichtiges Buch vor allem hinsichtlich der Figuren-Entwicklung und der Erzählatmosphäre war auch Jeanettes Wintersons Verlangen. Im Laufe des Schreibprozesses sind dann neben den literarischen Texten auch zahlreiche Essays – vor allem von Audre Lorde und Bel Hooks, gerade im Hinblick auf die eurozentrischen Perspektiven und ihre Dekonstruktion – sowie Sachtexte und Reisereportagen hinzugekommen. Ja, und ich habe viele Materialien und Dokumente, Reisetagebücher, Zeitungen, Broschüren, Fotos, die ich von meinen eigenen Reisen nach Algerien, nach Frankreich und Kuba mitgebracht habe, gesichtet und durchgearbeitet. Zu den Texten in einem weiteren Sinne würde ich auch die Sendungen über die Entstehung des Universums zählen: Verständlich aufbereitete, seriöse und (astro-)physikalisch detaillierte Vorlesungen und Podcasts im Internet.
Mira kann, du hast es selbst erwähnt, auch als queere Figur gelesen werden, sie übertritt geschlechtliche Grenzziehungen, oder vielmehr: sie hat ein wunderbar freies Sexualleben. Sie ist insgesamt ein lustvolles Wesen. Was inspirierte dich zu diesen Aspekten der Figur, und wie schreiben sich eigentlich derart lustbetonten Sexszenen, v.a. im Hinblick auf eine österreichische Vorgängerinnen-Literatur wie die von Jelinek oder Bachmann, deren Literatur Lust vorrangig als männlich und Sex oftmals als erlittene Gewalt beschreiben? Auch hier sehe ich nämlich einen produktiven Bruch mit einem Kanon, jetzt allerdings dem feministischen, und auch hier ist es das Schelmenhafte der Figur, das diesen Bruch ermöglichte. Irre ich mich?
Nein, Du irrst Dich ganz und gar nicht! Es war mir sehr wichtig, Mira in all ihrer gerissenen Ambivalenz auch als eine lustvolle Figur zu erzählen beziehungsweise erzählen zu lassen. Das beginnt schon bei ihrer Lust zu erzählen, sich auszubreiten, ihrer Stimme Platz und Gehör zu verschaffen, sich und ihre Erfahrungen mitunter sogar in einem übersteigerten Ausmaß ernst zu nehmen. Das, finde ich, ist das wirklich Reizvolle an einer weiblich markierten Figur, die als Schelmin oder als Trickserin auftritt. Die Herausforderung bei dieser Konzeption war es, ihre Bewegungen als Frau durch die Welt, die sich ja von jenen der männlichen Schelmen unterscheiden, in einer Form darzustellen, die weder die komplizierten Seiten vollkommen ausblendet, noch der Figur jeglichen, auch sexuellen, Handlungsspielraum vorenthält. Und dabei hilft das Schelmenhafte, keine Frage. Wie die ›klassischen‹ männlichen Schelmen hat auch Mira das Recht auf Abenteuer, auf Exzesse und promiske Ausschweifungen. Nur wäre es, wie ich denke, aus feministischer Sicht problematisch und im Grunde auch nicht möglich, eine unmittelbare Übertragung von ›männlich‹ auf ›weiblich‹, gleichsam in totaler Ignoranz von Gender-Aspekten, vorzunehmen. Mira wird ja als Frau gelesen und wahrgenommen, wodurch sich andere soziale Zusammenhänge ergeben – manches wird schwieriger, manches aber eben auch zugänglicher, wie etwa die Möglichkeit, diese sehr unterschiedlichen Frauen im Wohnheim in Oran kennenzulernen und dabei sowohl geschlechtliche als auch kulturalistische Grenzziehungen zu übertreten. In dieser Hinsicht sind die Bücher von Jeanette Winterson sehr inspirierend, gerade was lustbetonte, queere Sexszenen anbelangt: Weder Verharmlosungen noch Überhöhungen sind es, die da vorgenommen werden, erzählt werden vielmehr sehr unterschiedliche Varianten davon, was Sex, was körperliche Lust, auch sein kann, jenseits von heteronormativen Vorstellungen und Einschränkungen. Ich denke, diese Herangehensweisen sind heute auch deswegen möglich, da Autorinnen wie Ingeborg Bachmann und Elfriede Jelinek mit den Idealvorstellungen von Mann und Frau, von einem so genannten Eheleben aufgeräumt und gezeigt haben, wie gewaltvoll nicht ›nur‹ diese Beziehungsstrukturen selbst sondern auch die Vorstellungen davon sind. Und nach diesem ersten, sehr relevanten Bruch ist es Zeit geworden, von Frauen zu erzählen, die auf Arten und Weisen Sex haben, die nicht erst recht wieder zu Männerphantasien gerinnen.
Gab es in der bisherigen Rezeption schon Momente, die dich überrascht haben – positiv oder negativ?
Gefreut hat mich, dass in vielen Rezensionen ein großes Augenmerk auf die sozioökonomischen Bezüge gelegt und Mira tatsächlich als eine zeitgenössische Schelmin verhandelt wurde. Die Geschlechtermarkierung, also die weiblich Schelmin, wurde auch einige Male explizit erwähnt und als eine Ausnahmeerscheinung bezeichnet, was ich einerseits gut, andererseits auch teilweise problematisch finde, da Ausnahmen ja oftmals die Regel bestätigen (sollen). Überrascht haben mich immer wieder direkte Rückmeldungen bei Lesungen. Oft waren das sehr genaue Detailbeobachtungen – etwa, wenn es darum geht, dass die Herkunft der Leute aus der Alten Mühle nicht durch nationale Zuschreibungen erfolgt, sondern durch phonetische Markierungen (das rollende R, das kehlige H usw.): Wenn so etwas bemerkt und dezidiert angesprochen wird, freue ich mich. Na und grundsätzlich ist jede Rückmeldung, ob nun im Gespräch oder schriftlich, in Form von Rezensionen oder literaturwissenschaftliche Analysen, eine Erweiterung des Textes: Durch die unterschiedlichen Zugänge eröffnen sich Ebenen, die ich als Autorin gar nicht im Griff hatte beziehungsweise haben kann. Insofern ist es immer überraschend, wenn die Textfäden weitergesponnen werden und sich mitunter zu Mustern verknüpfen, die ich beim Schreiben (noch) gar nicht ins Auge gefasst hatte. Ich denke auch – und das ist eine schöne Erfahrung mit Mira, der Gerissenen –, dass dies die Stoffe sind, aus denen politische Lese- und Schreibakte entstehen: eben nicht aus einer wahllosen Beliebigkeit heraus oder, umgekehrt, aus einer engmaschigen Festschreibung so genannter politischer Charaktere, sondern aus einem Repertoire an Anknüpfungspunkten (oder vielleicht auch: Zeitbezügen), die sich anhand der verschiedenen Lektüren verbinden, die sich aneinander reiben, einander an-, vielleicht auch abstoßen, in jedem Fall aber die Möglichkeiten zu neuen, erstaunlichen Verknüpfungen bieten – wie sich auch in unserem Gespräch hier zeigt.
Die Gerissene
Roman von Eva Schörkhuber
Erscheinungsdatum: 22.02.2021