Die Regenbogenparade wird heuer nicht wie gewohnt stattfinden können. Um trotz Social Distancing ein aktives Zeichen für die Sichtbarkeit von LGBTIQ-Menschen zu setzen, sind für den 27. Juni ein Regenbogen-Corso um den Wiener Ring und ein weltweites Stream-Event geplant. Anlässlich des Pride Month legen wir euch ein besonderes Buch ans Herz, das zeigt: Gute Literatur richtet sich unabhängig von Sprache, Religion, Hautfarbe, Geschlecht und sexueller Orientierung an jedes Ohr, das offen für Geschichten ist.
Andreas Jungwirth, der bisher vor allem durch sein Engagement fürs Hörspiel und als Autor von Jugendliteratur bekannt ist, erzählt in seinem ersten Buch für Erwachsene von queeren Lebensentwürfen. Wir haben keinen Kontakt mehr ist ein schmaler, sehr dichter Band. Auf knapp 80 Seiten lässt Jungwirth das Leben eines Menschen Revue passieren, ohne seine eigene Perspektive einzunehmen. Die formale Konstruktion der Erzählung ist ungewöhnlich: Wir haben keinen Kontakt mehr setzt sich aus 14 Episoden zusammen, die um den Protagonisten David kreisen. Es sind subjektive Erlebnisse, Erinnerungen von 14 voneinander unabhängigen Menschen erzählt, die David zu jener Zeit mehr oder weniger nahe waren – Freund*innen, Bekannte, Liebhaber*innen, die jeweils von einer markanten Begegnung erzählen. Neben der Homosexualität des Protagonisten wird die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt der Charaktere deutlich. Sandra, die David auf der Uni kennengelernt hat, umreißt das aus ihrer Perspektive schön:
Auch meine beiden Kinder sind von einem Mann, der früher schwul gewesen ist und jetzt hetero, das glaubt immer niemand, dass es das gibt. Aber das gibt’s auch in diese Richtung. Was weiß ich, wie das geht. Ich weiß nur eines: Es gibt so vieles. Alles gibt’s. Einfach alles. Auch Sachen, die dir nie und nimmer einfallen würden.
Wir haben keinen Kontakt mehr verhandelt wichtige Themen, die nicht nur, aber besonders im Pride Month Aufmerksamkeit verdient haben: »das Erwachen der eigenen Sexualität, verpasste Chancen und verlorene Lebensentwürfe, Schattenwelten mit Darkrooms und Pornokinos, die Folgen ebenso zufälliger wie flüchtiger Begegnungen und schließlich die Frage, wie viel man eigentlich von einem anderen Menschen wissen kann – und wie viel von sich selbst.« (Simon Leitner, Buchmagazin Literaturhaus Wien)
Nicht nur die Pressestimmen fielen positiv aus, auch private Leser*innen zeigen sich begeistert von der außergewöhnlichen Erzählung. Eine Kundin einer Berliner Buchhandlung fasst ihr Leseerlebnis zusammen:
Manche Bücher überzeugen sprachlich. Manche inhaltlich. Manche haben einen erzähltechnisch Kniff, der das Ganze erst so richtig gut macht. Manche, so auch dieses Buch, aber insgesamt die Wenigsten, haben alles. Jedes Kapitel gehört einem anderen Charakter und sie alle erzählen, fast wie in einem Interview oder einer Trauerrede von David, einem anfangs jungen schwulen Mann. Durch die unterschiedlichen Charaktere, die an sich schon interessant genug sind, wird eine facettenreiche Figur so unterschiedlich und spannend beleuchtet, dass man irgendwann komplett im Sog dieser wundervollen Erzählung ist. (Thalia-Rezension einer Kundin, Berlin)