Heute dürfen endlich unsere ersten Herbstbücher in die Welt hinaus. Wir freuen uns über Fabian Bursteins leidenschaftliche Streitschrift für eine bessere Kultur »Eroberung des Elfenbeinturms«, Björn Kuhligks atmosphärischen wie flirrenden Roman »Der Landvermesser« und Simone Schönetts virtuosen Erzählband »Sobald ich ›ich‹ sage, ist mir nicht mehr zu trauen«.
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Finanz- und Missbrauchsskandale, politische Planlosigkeit, Ämterkorruption. Was läuft eigentlich falsch im Kulturbetrieb? Dieser Frage widmet sich der Autor und Kulturmanager Fabian Burstein in seinem neuen Buch. In »Eroberung des Elfenbeinturms« werden nicht nur dramatische Fehlentwicklungen aufgedeckt und analysiert, sondern insbesondere auch konstruktive Lösungsstrategien aufgezeigt.
In seinen Ausführungen spannt der Autor einen weiten Bogen. Er taucht tief in die österreichischen Kulturskandale der letzten Jahre ein, beschreibt, wie sich Kultur-GmbHs der öffentlichen Hand mit Hilfe von Gremien intransparent und zahnlos durch entscheidende Weichenstellungen lavieren und schlägt eine Brücke zu den großen Herausforderungen Digitalisierung und Bildung, die für den gesamten Kulturbetrieb des deutschsprachigen Raums Gültigkeit besitzen.
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Björn Kuhligk, der sich bisher vor allem als Lyriker einen Namen gemacht hat, legt mit »Der Landvermesser« seinen ersten Roman vor. Dass Alexander Müller von allen nur bei seinem Nachnamen angesprochen wird, ist noch das Interessanteste im Leben des 44-jährigen Berliners. Nach der Trennung von seiner Freundin hat der Datenmanager mit größeren Wendungen in seinem Leben abgeschlossen und sich in einem ereignislosen Alltag eingerichtet. Der Tod seines Bruders Thomas, der vor Jahren nach Kolumbien ausgewandert ist, trifft ihn jedoch härter als gedacht. Müller nimmt seinen kompletten Jahresurlaub und fliegt kurzerhand in die kolumbianische Hafenstadt Cartagena.
Dort ist er nicht nur von der brütenden Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit überfordert. Laura und José, die Lebensgefährtin und der beste Freund seines Bruders, führen ihn in die Kultur und Gesellschaft der pulsierenden Küstenstadt ein, und er findet allmählich Gefallen an dem so fremden Leben in der Karibik. Von Tag zu Tag erfährt er auch mehr über seinen Bruder, mit dem er jahrelang keinen Kontakt hatte und der ihm nun ein kleines Vermögen hinterlassen hat. Dass Thomas seinen Reichtum als Drogenkurier für ein Mafiakartell erlangt hat, deren Mitglieder ihn »El topografo« (den Landvermesser) nannten, klingt nach einem Klischee, ist für Müller aber nur schwer zu akzeptieren. Schließlich zieht er zu Laura in das in der Altstadt gelegene Jugendstilhaus und überlegt, was er noch alles aus seinem Leben rausholen könnte. In Kolumbien, mit Laura und dem Drogengeld seines toten Bruders …
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Simone Schönett macht es ihren Figuren nicht gerade leicht; die Frauen in den zehn Erzählungen ihres Bandes »Sobald ich ›ich‹ sage, ist mir nicht mehr zu trauen« müssen sich nämlich mit ganz schön viel rumschlagen. Da ist die ältere, nervige Freundin Kath, die regelmäßig wie aus dem Nichts auftaucht und viel zu lange bleibt. Oder die nicht minder anstrengende Mutter, die in ihrer Geltungssucht den Weihnachtsurlaub an der kroatischen Küste zerstört. Nicht zu vergessen die vom Vater verhätschelte Tochter, die nie eine Spur ins Leben gefunden hat, und nun mit Fußfessel zu Alwine ins Elternhaus zurückkehrt. Zwischendurch lässt Simone Schönett aber auch mal langjährige Freundschaften zerbersten. Es sind oft scheinbar unbedeutende Zwischenfälle und zufällige Ereignisse, die ihre Protagonistinnen in Situationen katapultieren, die sie schlichtweg zum Handeln zwingen.
Als Leser:in wird man nicht nur bestens unterhalten, man fragt sich unweigerlich, wie man sich selbst verhalten würde, und findet sich in der einen oder anderen Geschichte wieder. Mit oft beißendem Humor und einem feinen Gespür für die menschlichen Abgründe kreiert Simone Schönett scheinbar ausweglose Situationen, seziert festgefahrene Beziehungen und lässt lustvoll Kartenhäuser zusammenfallen. In einem gleichen sich aber alle ihre Figuren: Niemand bleibt hier in ihrer:seiner Komfortzone.