Meike Ziervogel lebt als Autorin und Verlegerin in London. Sie schreibt auf Englisch; ihre Muttersprache ist Deutsch. Mit ihrem Verlag Peirene Press bringt sie zeitgenössische europäische Literaturen in englischer Übersetzung heraus. Meike Ziervogels Debütroman »Magda« erschien auf Deutsch in der Übersetzung von Martin Thomas Pesl.
Peirene ist eine Nymphe aus der griechischen Mythologie. Ihren Tränen waren so zahlreich, dass in Korinth eine Quelle daraus entstand. Die Dichter tranken davon, um Inspiration zu erlangen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Englisch auf dem Blog von Peirene Press.
Rückkehr zur Muttersprache
»Hast du die deutsche Übersetzung von ›Magda‹ gelesen?« fragt meine Assistentin Clara, als sie Montag ins Büro kommt. Ich schüttle den Kopf.
»Ich hatte die letzten Tage sehr viel zu tun«, erkläre ich zu meiner Verteidigung.
»Nichts als Ausreden«, ertönt die Stimme der Nymphe vom anderen Ende des Raumes. »Das war nichts, das sie nicht genauso gut hätte verschieben können.«
Ich werfe einen schuldbewussten Blick auf meine zehn Exemplare der deutschen Ausgabe von »Magda«. Der österreichische Verlag hat sie mir Anfang Januar zugeschickt. Das Buch sieht schön aus. Als es ankam, habe ich gleich ein Bild davon gemacht und auf Facebook geteilt. Aber ich habe das Buch noch nicht aufgeschlagen. »Du sagst unseren Autoren immer, dass sich die Übersetzung ihres Buches für sie seltsam anhören wird«, sagt Peirene. »Und du erzählst ihnen, das käme daher, dass sie den Rhythmus des Originals im Ohr haben, wenn wir einen Text auf Englisch daraus machen. Das Ergebnis hört sich für einen Schriftsteller immer dissonant an, selbst wenn ihr Englisch sehr gut ist. Aber sie sollen sich keine Gedanken machen, wir wissen ja, was wir tun. So beruhigst du sie, stimmt’s?« Ich spüre, wie Peirene zu einem intellektuellen Rundumschlag ausholt.
Ich nicke.
»Also … jetzt musst du deinem Übersetzer und dem österreichischen Verlag das Vertrauen entgegenbringen, dass sie deinen Roman gut übersetzt haben.« Die Nymphe kommt zu mir herüber und reicht mir ein Exemplar von »Magda« auf Deutsch. »Clara und ich kümmern uns heute allein um den Verlag. Setz dich in ein Café und komm nicht zurück, ehe du mit dem Lesen fertig bist.«
Peirene hat recht. Natürlich. Und trotz meiner Ängste bin ich neugierig und möchte wissen, wie mein Roman in meiner Muttersprache klingt. Werde ich erschaudern? Erstaunt sein? Mich bis in alle Ewigkeit verkriechen wollen?
Die ersten Seiten hören sich wirklich merkwürdig an. Ich lege das Buch beiseite und bestelle einen zweiten Cappuccino, dazu etwas Süßes, um meine Nerven zu beruhigen. Dann lese ich weiter. Nach und nach verliere ich das Gefühl dafür, dass das mein Buch ist. Natürlich erkenne ich die Gedanken und die Gefühle dahinter wieder. Aber das ist nicht meine Sprache, das sind nicht meine Worte. Die Erzählung trägt mich davon, und drei Stunden später bin ich fertig. Ich bestelle den dritten Cappuccino und denke über die Geschichte nach. Das war eine vollkommen andere Leseerfahrung als es bei meiner eigenen letzten Fassung auf Englisch war. Welche neuen Gedanken die deutsche Übersetzung von »Magda« in mir hervorgerufen hat. Welche ungewohnten Assoziationen und interessanten Erkenntnisse. Schließlich muss ich mir eingestehen, dass ich einen sehr inspirierenden Nachmittag hatte. Danke an meinen Übersetzer Martin Thomas Pesl und an den Verlag Edition Atelier.
» Meike Ziervogels Website
» Peirene-Blog
» Informationen zur deutschen Ausgabe von »Magda«
Meike Ziervogel lebt als Autorin und Verlegerin in London.
Der Übersetzer Martin Thomas Pesl im Übersetzungsjournal über die Arbeit mit »Magda«: hier im Blog!