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Die Psychopathen: Annie Wilkes

8. April 2016Edition Atelier

Was wäre die Welt ohne Schurken? Sherlock Holmes ohne Moriarty, Paris ohne Fantômas oder gar das Monster ohne Frankenstein? Im Herrn der Ringe würde vermutlich ununterbrochen gepicknickt, Alice würde den lieben langen Tag nur durchs Wunderland hopsen und Hannibal Lecter an Sojawürstchen knabbern. (Martin Thomas Pesl: Das Buch der Schurken. Die 100 genialsten Bösewichte der Weltliteratur)


Autor: Stephen King
Titel: Sie
(aus dem Amerikanischen von Joachim Körber)
Originalfassung: 1987

»Die erste wirkliche Erinnerung: aufzuhören und vom stinkenden Atem der Frau zurück ins Leben vergewaltigt zu werden.«

Sie ist der Albtraum jedes Schriftstellers: sein größter Fan. Sie liebt seine Romane, aber leider die schlechten, die seichten, mit denen er Millionen verdient hat. Annie Wilkes ist gar nicht glücklich, als sie erfährt, dass Paul Sheldon seine Serienfigur, die 19.-Jahrhundert-Heldin Misery Chastain im neuesten Buch sterben lässt. Es wäre verkraftbar, würde sie einen wütenden Fanbrief schreiben und ihm die Anhängerschaft aufkündigen. Dummerweise hat sie ihm aber nach einem Verkehrsunfall das Leben gerettet, ihn zu sich mitgenommen und ihre Fähigkeiten als Krankenschwester an ihm angewandt. Seine Beine sind schwer verletzt und schmerzen höllisch, er ist in ihrem Haus in der Einöde von Colorado ans Bett gefesselt – und damit der Frau, die ihn liebt, völlig ausgeliefert.
Und Annie kennt keine Kompromisse. Nachdem sie Pauls neues, Pulitzerpreis-verdächtiges Manuskript gelesen und die derbe Sprache darin bemängelt hat, entzieht sie ihm die Medikamente, bis er den Text (von dem in Prä-Cloud-Schreibmaschinenzeiten nur ein einziges Exemplar existiert) verbrennt und Misery wieder ins Leben schreibt. Fluchtversuche werden mit dem Entzug von Körperteilen bestraft. Von Anfang an besteht kein Zweifel: Diese Frau ist psychisch herausgefordert. Etwas länger dauert es, bis Paul ihr Album findet, in das allerlei aufschlussreiche Zeitungsartikel eingeklebt sind. Wo immer Annie früher hinzog, gab es seltsame Unfälle mit Todesfolge. Sie tötete sie alle, weil sie in ihren Augen entweder »Bälger« waren oder – ein Anflug von Mitleid? – »Ratten in der Falle«, armselige Gestalten ohne Zukunft. Ja, diese Krankenschwester ist nicht frei von Menschlichkeit, aber halt auf ihre eigene Art, in ihrer eigenen, unberechenbaren, von der Lektüre viktorianischer Seifigkeit geprägten Welt.
Es entspinnt sich also ein Kampf um Leben und Tod. Die Psychopathin gegen ihr Opfer – so weit klassisches Thrillermaterial, für King eher untypisch ohne übersinnliche Beteiligung. Was diese Antagonistin aber richtig brutal macht, ist die Metaebene des Autor-Leser-Verhältnisses. Annie Wilkes ist grausam, weil sie den Schreiber nicht schreiben lässt, was ER will. Sie ist die stumpfe Konsumentin, die sich keinen Deut für den kreativen Arbeitsprozess interessiert – aber wehe, sie findet inhaltliche Inkohärenzen! Annie ist die personifizierte imaginäre Leserin, für die der Dichter schreibt, obwohl er doch lieber für die Ewigkeit schreiben würde. Sie ist die Strafe für die kontrollierte Gefälligkeit, für das vorhersehbare Lob der leicht zu unterhaltenden, minderbemittelten Schund­romanleserschaft. Mit Annie Wilkes geißelt sich der Horrorschriftsteller Stephen King dafür, sich in der künstlerisch verpönten Welt der Genreliteratur eingenistet, bei seinen Fans angebiedert zu haben. »Lasst mich in Ruhe!«, ruft er den Annies dieser Welt schmerzerfüllt zu. »Ich will doch nur ein bedeutender Autor sein!«
Wer selber schreibt, hört Annies elektrische Säge besonders laut brummen, wenn sie sich Pauls Daumen nähert.
Herkunft: USA
Beruf: Krankenschwester
Literaturgeschmack: kriminell mies
Diagnose: manisch-depressives Irresein
Leichenanzahl: müsste man zählen
Merkmale: Übergewicht, Körpergeruch, Vermeidung derber Sprache
Säge: elektrisch
Filmdarstellerin: Kathy Bates

 

Martin Thomas Pesl lebt als Übersetzer, Autor, Lektor und Sprecher in Wien. Als Journalist schreibt er u.a. für die Stadtzeitung Falter.

Martin Thomas Pesl
Das Buch der Schurken

erscheint am 20. März 2016
mit Illustrationen von Kristof Kepler
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Kategorie: Die Schurken-Kolumne
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