von Ulrike Schmitzer
Ich sitze hier. Mehr brauche ich wohl nicht zu sagen. Ich hätte besser auf sie hören sollen. Nicht diese Bank, hat sie gesagt. Da gibt es seit letzter Woche einen neuen Sicherheitsdienst. Hat natürlich gestimmt. Doch nicht die Bank im Bahnhofsviertel, hat sie gesagt. Da ist jede Woche ein Überfall, die geben die rote Farbkartusche schon wie Weltspartagsgeschenke aus. Bist du verrückt, die größte Bank weit und breit. Da ist die Polizei doch schon da, bevor der Alarm losgeht. Wir haben dann die Bank genommen, die sie vorgeschlagen hat. Das war sicher die beste. Es hätte auch gutgehen können, sagt sie.
Du brauchst keine Maske, hat sie gesagt. Wann willst du die überziehen. Das fällt nur auf, dann wird schon auf der Straße Alarm gegeben. Das sind wertvolle Minuten. Nimm besser eine Sonnenbrille und eine Perücke. Die Idee fand ich gut, einen Weiberstrumpf hätte ich mir sowieso nicht über den Kopf gezogen.
Du gehst alleine rein und ich warte im Auto, hat sie gesagt. Ich bin alleine rein, und sie war im Auto. Allerdings nicht wie ausgemacht vor der Bank. Ich musste wegfahren, sagt sie, überall war schon Polizei. Du hast einfach zu lange gebraucht. Da hat sie sicher recht. Aber eine Bank zu überfallen, das dauert eben seine Zeit. Bis die kapieren, was du willst. Man möchte meinen, jeder wüsste, was bei einem Überfall zu tun ist. Sieht man doch tausendmal im Fernsehen. Aber die Alte nervelt herum, hat keinen Sack bei der Hand, gibt zu wenig Geld hinein und fängt auch noch zu heulen an. Da hast du eine dumme Kassiererin erwischt, sagt sie. Mit einer anderen wäre das kein Problem gewesen. Das mag schon stimmen. Jetzt hab ich eine Kugel im Bein. Hättest dich halt nicht wehren sollen bei der Festnahme, sagt sie. Man muss schon sehen, wann Schluss ist. Jammere nicht. Musst du wenigstens nicht in der Wäscherei arbeiten, sagt sie.
Wie gut, dass ich dir ein bisschen Russisch beigebracht habe, sagt sie. Dabei wollte ich am Anfang gar nicht lernen. Wirst es schon einmal brauchen, hat sie gesagt. Die paar Wortfetzen. Aber besser als nichts. Die Russinnen haben hier nämlich das Sagen. Da musst du zumindest höflich sein können.
Was hätte das für einen Sinn, wenn wir beide im Gefängnis wären. Es genügt, wenn eine von uns einsitzt. Jetzt müssen wir zusammenhalten, sagt sie. Der Meinung bin ich auch. Ich bin eine Einzeltäterin. Stand sogar so in der Zeitung. Schade nur, dass sie mich jetzt nur mehr selten besuchen kommt. Du hast ja keine Ahnung, sagt sie, was da draußen los ist. Die hab ich nicht. Wie denn auch.
Ulrike Schmitzer, 1967 in Salzburg geboren, Studium der Publizistik und Kunstgeschichte; Redakteurin bei Ö1, freie Filmemacherin und Autorin in Wien; zahlreiche Preise, u. a. Inge Morath-Preis für Wissenschafts-Publizistik 2012. Absolventin der Leondinger Akademie für Literatur 2008; zuletzt erschienen: Die Stille der Gletscher (2017), Die gestohlene Erinnerung (2015), Die Flut (2013) und Die falsche Witwe (2011). Für ihren Roman Es ist die Schwerkraft, die uns umbringt (2014) erhielt sie den Sonderpreis des Staatspreises für Wissenschaftspublizistik (2016).
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