I’m the man in the dark sedan and I have come to take your hand
I was sent down here to be sincere, truthful and steadfast
I came to say that judgement day of man has come to pass
You can follow me and I guarantee to take you far away
But we must leave before the eve of everlasting gray
You will leave this place and soon replace the names of those you know
With a brotherhood that has withstood the leeches and the snow
(Snakefinger, »The Man in the Black Sedan«)
Die ganze Welt wartet auf ein neues Meisterwerk von Antonic & Ratia. Gibt es einen Plan? Noch nicht. Aber vielleicht bald. Wie wär’s beispielsweise mit einem Mann, der an einer Landstraße mitten im Wald eine Tankstelle betreibt? Lappland. Kein Dorf weit und breit. Nur die Straße und die Tankstelle. Gut. Was weiter? Jeden Tag bleiben hier bloß zwei oder drei Autos stehen, um zu tanken, vielleicht einen Kaffee oder einen Snack einzunehmen, und dann fahren sie wieder weiter in Norden. Oder in den Süden. Und während seiner langen Arbeitspausen liest der Mann Science-Fiction-Romane. Er heißt Timo. Und er träumt davon, eines Tages auch einen Science-Fiction-Roman zu schreiben. Gut. Ist das der Anfang? Wir haben bereits begonnen.
Wir lesen also eine Weile von seinem Alltag, vielleicht 50 Seiten, alles ist etwas eintönig. Wir brauchen nicht die Science-Fiction-Romane zu beschreiben, die er liest. Das ähnelt zu sehr Kurt Vonnegut, Jr. Es ist später Frühling, der Schnee ist schon fast geschmolzen, als eines Tages ein Mann an der Tankstelle stehen bleibt. Er fährt eine teure, schwarze Limousine. Er tankt und befragt anschließend Timo nach einer kleinen Straße, die von der großen in einiger Entfernung von der Tankstelle Richtung Osten abzweigt. Timo zeigt ihm die Straße auf einer Karte, und es ist sehr gut zu sehen, dass diese Straße nach zwanzig oder dreißig Kilometer im Nirgendwo endet. Da ist einfach nichts. Der Mann bedankt sich und verlässt die Hütte. Bevor er wieder in seinen Sedan steigt, sieht Timo, wie der Mann etwas in einen Mülleimer wirft. Und dann fährt er los.
Befindet sich dieser Mann in Schwierigkeiten? Will er einfach nur verschwinden? Hat er sein Leben im Wohlstand satt? Wir wissen das noch nicht. Aber vielleicht ist er der Schlüssel zum Science-Fiction-Roman. Möglicherweise ist er aus einem Science-Fiction-Roman! Ja! Wie war nochmal der Name des Tankstellenwärters? Timo. Warum ist der eigentlich dort? Er liebt die Einsamkeit. Und Science-Fiction-Romane. Und aus welchem Roman ist der Mann mit der Limousine? Natürlich aus Timos Science-Fiction-Roman. Genau.
Der Mann mit der Limousine hat eine Geschichte zu erzählen. Timo will ihm folgen, denn er will herausfinden, was der dort, am Ende der Straße, treibt. Timo war vermutlich noch gar nie dort, denn er ging davon aus, dass da sowieso nichts ist. Ja, also verlässt er seine Hütte und geht natürlich zuerst zum Mülleimer. Und darin findet er ……… ??? Eine Hand? Nein.
Er findet … ein kleines schwarzes Notizbuch. Darin ausschließlich Zahlen. Nur Zahlen. Keine Telefonnummern. Tausende Ziffern. Ein Code? Eine Geheimschrift. Und wenn man sie entschlüsselt, verwandelt sie sich in eine Geschichte. Oder in eine Nachricht. Aber zuerst starrt Timo natürlich nur auf diese Zahlen und weiß nichts damit anzufangen. Nach einigen Stunden gelingt es ihm allerdings, den Code zu entschlüsseln. »Die Spatzen werden wieder fliegen. Der Tumor ist violett. Nimm die Festung ein, solange sie noch warm ist. Biege nach links ab.« Das sind die ersten Sätze. Ich habe sie gerade von überirdischen Mächten empfangen. Und jetzt setzt sich Timo in seinen Truck und fährt los.
Ein paar Stunden sind vergangen, seit der Kerl mit der Limousine an der Tankstelle Halt machte. Wer weiß, was der inzwischen getrieben hat. Spannung pur. Timo biegt nach ein paar Kilometer von der asphaltierten Landstraße ab und befindet sich nun auf einem unbefestigten Weg. Schlaglöcher. Bäume links und rechts. Nichts als Bäume. Alles ist feucht. Nass. Der alte Truck wird hin und her geschüttelt. Es ist kalt. Es ist dunkel. Dämmerlicht. Mitten in der Wüste. Nein, wir sind ja in Lappland. Howlin’ Wolf. Nein, das ist ein Musiker. Rudolph the Red-Nosed Reindeer. Rudolph the Powder-Nosed Addict. Howlin’ Wolf ist im Autoradio zu hören. Auf Kassette. »Back Door Man«. Howlin’ Wolf Killed the Radio Star. Okay, sehr gute Szene jedenfalls. Filmreif. Sehr intensiv. Timo nähert sich dem Ende der Straße und vor ihm sieht er ein merkwürdig rötlich schimmerndes Licht. Er sieht die Limousine. Er hält an, steigt aus, hat Angst. Er weiß, er könnte hier nicht willkommen sein. Er geht an der Limousine vorbei den Weg entlang, der an einem See endet, der zugefroren ist. Über den See hinweg, am anderen Ufer, sieht Timo den Mann stehen, die Hände zum rötlich schimmernden Himmel gerichtet. Und dann: BUMM!!!!!!
JA!!! BUMM SHAKALAMALEIKUM MOTHERFUCKERS!!!
Was jetzt? Ein Raumschiff? UFO? Explosion? Helikopter? Atombombe? Was zum Teufel passiert jetzt??? Vielleicht fliegt die ganze Erde in die Luft. Aber dann wäre die Geschichte zu Ende und Timo könnte seinen Science-Fiction-Roman nicht schreiben. Nein. Extrem grelles Licht, unendlicher Lärm, eine Explosion, Timo wird geblendet, eine Druckwelle schleudert ihn nach hinten und zu Boden, und er verliert das Bewusstsein.
Er wacht am Morgen auf. Alles ist sehr friedlich, die Vögel zwitschern. Ein Hase hoppelt zwischen Bäumen herum, Rudolph the Red-Nosed Reindeer steht hinter einem Gebüsch und rümpft die Nase. In der Mitte des zugefrorenen Sees klafft ein riesiges Loch in der Eisdecke. Am gegenüberliegenden Ufer liegt der Mann und rührt sich nicht. Timo geht hinüber und stellt fest, dass er tot ist. Die Sonne scheint. Er trägt den Leichnam zum Truck und fährt zurück zur Tankstelle. Zu Hause angekommen stellt er fest, dass der Tote einen riesigen, kreisrunden violetten Fleck auf seiner Brust hat. Er legt ihn in die Gefriertruhe. Er hat nun die Leiche, das Notizbuch, die Erfahrung, und beginnt zu schreiben. Die kryptischen Botschaften des gesamten Buches lässt er in seine Geschichte fließen. Es sind dies Sätze wie: »Wer jemals ›Vielleicht‹ gesagt hat, wird gezwungen sein, einen Schritt nach vor zu wagen und mit lauter Stimme seinen Namen auszusprechen.« Oder: »Ziehe die Nummer des Serienmörders, bevor wir fortfahren können.« Oder: »Und dann möchte ich noch was sagen, bevor Sie sich in eine irrwitzige, schwedische Person verwandeln.« Ich habe diese Sätze soeben von überirdischen Mächten empfangen. Ziemlich verrückt. Und das ist dann sozusagen auch das Ende des Romans.
Aber da fällt mir zum Schluss, im letzten Augenblick, der Anfang des Romans ein: Jemand hält an der Tankstelle und findet Timo tot an einem Tisch, vor sich den gerade fertig gestellten Science-Fiction-Roman. Auf seiner Brust findet sich ein riesiger violetter Fleck. Und dann findet man den anderen Leichnam in der Gefriertruhe, der auch so einen Fleck auf der Brust hat. Und der von Timo verfasste Roman wird herausgegeben und ein Bestseller. Timos Roman ist klarerweise der ganze Roman, den wir hier gerade geschrieben haben. Bestseller natürlich.